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Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
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werden, welcher nur Kombinationen auswählt, die angenehm für das (meta)menschliche Ohr sind. Ganz bestimmt. Wenigstens ist der Kaffee gut - echter Kaffee, kein Soy-kaf -, aber andererseits sollte er das für fünfzehn und mehr Nuyen die Tasse auch sein. Zudem kostet Nachschenken extra.
    Die Treffen finden immer an einem anderen Ort statt, und ich weiß nie, wer mein Kontakt sein wird. Es gibt keinen festen Rhythmus für die Treffen, weil ein fester Rhythmus berechenbar wäre. Manchmal vergehen zwei, drei Wochen, ohne daß ich mit jemandem Rücksprache halte. Wahrscheinlich nennen sie es deshalb nicht nur Undercover, sondern Deepcover. Der Star benutzt ein Dutzend verschiedene Kanäle, um mir Nachrichten zukommen zu lassen - und umgekehrt -, aber die besten sind zugleich die simpelsten. Bei den Cutters gelte ich als Techno-Freak. Andere Soldaten verbringen ihre Zeit damit, sich das Hirn rösten, sich flachlegen oder sich in Kämpfe verwickeln zu lassen. Ich auch -die Erfordernisse meiner Tarnung, nicht weil es mir Spaß machen würde, ha! -, aber ich lasse keinen Tag verstreichen, ohne mich zumindest ein paar Minuten in die UCAS Online einzuschalten, dem riesigen öffentlichen BTX-System in der Matrix. (Ich bin ein Nullhead -keine Datenbuchse, nur meine Chipbuchsen -, also benutze ich einen billigen Palmtop.) UOL wartet mit einer ganzen Wagenladung cooler Eigenschaften auf, aber der entscheidende Punkt ist das riesige schwarze Brett. Ein Haufen Leute auf dem Kontinent - manchmal sogar in Europa - schalten sich ein, um sich mit speziellen Interessengruppen oder Privatpersonen über alles und jeden zu unterhalten. Bei so einem hohen Aufkommen von Nachrichtenverkehr ist es leicht, eine codierte Botschaft in den Datenstrom einzuschleusen. Nichts Kompliziertes - das ist gar nicht nötig - und nichts, was auch nur entfernte Ähnlichkeit mit einem Code hat. Man muß wirklich wissen, wonach man sucht, wenn einem die Botschaften auffallen sollen, die wir austauschen. (Drek, manchmal übersehe selbst ich sie. Auf die Art habe ich nicht wenige Treffen platzen lassen, aber manchmal ist das der Preis, den man zahlen muß.) Die Botschaft, die mir mitgeteilt hat, daß ich mich heute in der Kaffeebohne sehen lassen soll, las sich wie eine typische neo-anarchistische Phrasendrescherei gegen die Monopolisierung der Nachrichtenmedien - schlechte Argumente, schlechte Rechtschreibung und total überholt.
    So kommt es also, daß ich kurz vor der Zeit, wenn die Juniorpinkel aus den Wolkenkratzern strömen, um beim Mittagessen ihre Spesenkonten zu plündern, in den Laden schlendere. Ich gehöre nicht in die Kaffeebohne. Jeder Kopf, der sich zu mir umdreht, jedes Lippenpaar, das sich zu einem spöttischen Grinsen verzieht, jede Stimme, die vorübergehend innehält, verrät mir das. Ich stamme offenbar aus irgendwelchen Slums, und das macht mich gefährlich und verdächtig. Ich trage weder Zoé noch Mortimer of London, Gucci oder Bally, weder Satin noch Kunstseide. Mein Outfit tendiert mehr zu Skulz, Doc Marten, Kunstleder und Kevlar. Selbstverständlich sagt mir das niemand ins Gesicht. Beim gegenwärtigen politischen Klima gelten Kleidervorschriften als ›elitär‹ (außer natürlich auf dem Firmengelände eines Megakonzerns, wo alles geht und man sich ebensogut gegen das Gesetz der Schwerkraft verwahren könnte.) Solange ich keine Waffen, illegale Rüstung oder unerwünschte Cyberware trage - zumindest nichts, was der Techdrek in der Tür aufspüren kann -, kann mir niemand sagen, ich gehörte nicht hierher. Das kann natürlich die Penner in dem Laden nicht davon abhalten, mir genau das zu vermitteln, ohne es mir offen ins Gesicht zu sagen. Andere Gangmitglieder in der Gegend könnten sich fragen, warum ich mir das überhaupt antue, aber ich habe mir sorgfältig den Ruf aufgebaut, oft in Pinkelläden rumzuhängen, und zwar nur um des Spaßes willen, die Leute vor den Kopf zu stoßen.
    Ich spaziere hinein, spiele mit dem Knaben hinter der großen Espresso-Maschine das alte Spiel Wer starrt Wen nieder, und schlendere in den rückwärtigen Teil des Ladens. Ich sehe meinen Kontakt sofort. Sie sitzt an der Bar, und zwar auf einem dieser Neo-Retro-Barstühle, die von einem frustrierten Proktologen entworfen worden sein müssen. Sie war ein Chummer von mir (und für ein Wochenende im Mayflower Plaza Hotel, an das ich mich immer gern erinnere, vielen Dank, auch mehr als das), als wir beide noch in Milwaukee wohnten und gemeinsam auf die dortige

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