Der Einzelgänger
könnten, und welchen Behörden könnten wir bei dieser Sache überhaupt vertrauen?«
Argent fängt an zu argumentieren, aber aus dem Nichts kommt mir plötzlich ein Gedanke, der mich mit der Wucht eines Schnellzugs trifft. »Warte mal«, schnappe ich. Der Shadowrunner hält die Klappe und beobachtet mich neugierig.
Ich schweige eine gute Minute lang oder auch zwei, dann spüre ich, wie sich mein Gesicht zu einem Grinsen verzieht. Ja, das paßt.
»Was ist?« fragt Argent, als er mein Lächeln sieht.
»Die Einzelheiten nenne ich dir später«, sage ich zu ihm. »In der Zwischenzeit gibt es ein paar Sachen, die ich von dir und Peg brauche. Vielleicht solltest du dir Notizen machen...«
Argent war nicht sofort einverstanden, aber das hatte ich auch nicht erwartet. Ich muß jedoch zugeben, daß er meinem Plan nicht annähernd so ablehnend gegenüberstand, wie ich geglaubt hatte. (Oder vielleicht auch nicht annähernd so ablehnend gegenüberstand, wie ich einem Plan von ihm gegenübergestanden hätte. Darüber muß ich mal nachdenken...) Als er sah, worauf ich hinauswollte, zog er mit. Gut, er wies auf ein paar Löcher hin, die mir nicht aufgefallen waren, aber er machte auch Vorschläge, wie man sie stopfen konnte, und im Endeffekt war der Plan hinterher hieb- und stichfester als vorher.
Jetzt sitze ich also vor dem Telekom, versuche mich zu entspannen und meinen Pulsschlag auf einen annähernd normalen Wert zu senken. Ich muß ganz cool sein, sage ich mir immer wieder. Wenn das hier eine Kampfsituation wäre, könnte ich mich zumindest halbwegs darauf verlassen, daß mir meine Ausbildung weiterhilft. Aber das hier ist ganz etwas anderes. Wenn ich das jetzt verpfusche, werde ich so lange vor den Cutters, dem Star und allen anderen Mitspielern auf der Flucht sein, bis schließlich jemand ins Schwarze trifft und mir den Schädel- wegpustet.
Ich werfe einen Blick auf Argent. Er räkelt sich in dem Sessel in der Nähe, befindet sich aber nicht im Erfassungsbereich der Videokamera. Er beobachtet mich gelassen, fast losgelöst. Kein Wunder. Schließlich ist es nicht sein Kopf, auf den die Zielscheibe gemalt ist. Trotzdem verfluche ich ihn im stillen. Ich konzentriere mich wieder auf das Telekom und gebe die Nummer ein, die Peg beschafft hat.
Das Zustandekommen der Verbindung scheint eine Ewigkeit zu dauern. Der Schirm bleibt zunächst tot, doch im Lautsprecher summt und klickt es, da die Utility, die ich benutze, ihren Kampf mit dem LT-Git-ter austrägt. Schließlich überzieht sich der Schirm mit den vertrauten Farbmustern, und in der Statuszeile am unteren Rand des Bildschirms steht Verbindung wird hergestellt«. Die Statuszeile wechselt, und aus dem Lautsprecher tönt das vertraute ›Klingeln‹, das jedoch mit einem merkwürdigen Echo unterlegt ist. Was weiter keine Überraschung ist: Dieser Anruf läuft im Gegensatz zu dem Zwei-Knoten-Relais, das ich benutzt habe, um Argent zu erreichen, über ein Sieben-Knoten-Relais - der komplexesten Verbindung, die Peg noch mit einiger Zuverlässigkeit handhaben kann. Wenn unser Adressat diesen Anruf durch sieben dazwischenliegende Knoten zurückverfolgen kann, will ich es gar nicht wissen.
Das Telefon klingelt immer weiter. Keine Antwort. Ich mache mir Sorgen, daß ich vielleicht die falsche Nummer habe oder ein spezieller Code erforderlich ist, um tatsächlich durchzukommen. Argent hat mir verraten, daß Peg schwer daran zu knacken hatte, diese Nummer zu besorgen, und die Chance, daß die Nummer stimmt, daß sie noch angeschlossen ist und dieser ganze Drek, liegt nicht viel höher als fünfzig Prozent. Während weiter die Farbmuster über den Schirm huschen und es im Lautsprecher klingelt und klingelt, bekomme ich das unangenehme Gefühl, daß diese Chance einfach zu gering war. Drek! Es hätte klappen können. Ich strecke die Hand aus, um den Anruf zu beenden...
In diesem Augenblick blinkt in der Statuszeile ›Verbindung hergestellt‹ auf, und der Schirm erhellt sich, um ein Gesicht zu zeigen. »Telestrian«, sagt das Gesicht kurz angebunden. Die Augen der Elfe verengen sich, und ich weiß, daß sie auf einen leeren Schirm schaut. »Wer ist da?«
Ich schalte die Videokamera des Telekoms ein und sehe, wie sich Lynne Telestrians harte grüne Augen kaum merklich vor Überraschung verengen. Dann hat sie dieselbe stahlharte Kontrolle wiederhergestellt, die sie bereits in dem verlassenen Fi nes Que t an den Tag gelegt hat. »Mr. Larson«, sagt sie zögernd. »Ich muß
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