Der Einzelgänger
Zeitspanne zurückrufen, geht die Datei an die Schnüffler. Verstanden?« Wiederum warte ich nicht auf eine Antwort. »Öffnen Sie Ihre Auffangdatei, ich schicke Ihnen jetzt die Daten. Ach ja, sechzig Minuten, ab ... jetzt.«
Damit schalte ich die Kamera aus und starte die vorprogrammierte Utility, die meinen Bericht über alles, was ich über die Telestrian-NVC-Star-Connec-tion weiß und mir denken kann, durch die Leitung jagt. Das Übertragen der komprimierten Datei dauert fünf Sekunden. Kaum summt das Telekom, daß die Übertragung beendet ist, unterbreche ich die Verbindung. Der Schirm wird leer, aber der Lautsprecher summt und klickt noch eine Weile vor sich hin, da Peg das Sieben-Knoten-Relais zerlegt.
Ich lehne mich zurück und sehe Argent fragend an.
»Hunderteinundzwanzig Sekunden Verbindungszeit insgesamt«, verkündet er. Er verzieht die Lippen zu einem raubtierhaften Grinsen. »Ich schätze, eine Sekunde über die Zeit ist ganz akzeptabel.« Er schweigt einen Augenblick, aber ich weiß, daß er noch etwas zu sagen hat. Ich warte.
»Guter Zug«, sagt er schließlich. »Du bist findig, Wolf. Ich würde sagen, zu gut für Lone Star.« Und dann, als sei er verlegen, weil sein Lob zu überschwenglich ausgefallen ist, zieht er sein eigenes Mobiltelefon, um den nächsten Schritt mit Peg zu koordinieren, und läßt mich im wesentlichen allein an dem knacken, was ich gehört habe.
27
Warten war schon immer unerträglich für mich, und diesmal ist keine Ausnahme. Vor dem Anruf haben Argent und ich uns überlegt, wieviel Zeit wir Lynne für den Rückruf geben sollen, und wir einigten uns auf eine Stunde. Lange genug, um meinen Bericht zu lesen und zu verdauen, und lange genug, um sich zumindest in Ansätzen für all das Bestätigungen zu holen, was sie noch nicht weiß. Nicht lange genug - jedenfalls hoffen wir das -, um irgendeine Gegenoperation zu inszenieren. (Die Tatsache, daß uns keine überzeugenden Ideen kamen, was für eine Gegenoperation sie inszenieren könnte, ließ uns in dieser Hinsicht keineswegs aufatmen.) Also einigten wir uns wegen all der netten, vernünftigen, logischen Gründe auf eine Stunde.
Dabei haben wir jedoch nicht in Betracht gezogen, wie es für uns sein würde, diese Stunde zu warten. In den ersten fünfzehn Minuten marschierte ich auf und ab und war so rappelig, daß ich jedem den Kopf schon wegen eines lauten Wortes abgebissen hätte. Argent lag nur gedankenverloren auf dem Bett. Zuerst glaubte ich, das Warten würde ihm nichts ausmachen, und haßte ihn dafür. Doch dann, nach etwa fünfzig Minuten, walzte Jean Trudel mit einem Teller Sandwiches und ein paar kalten Bieren zur Tür herein - und der verchromte Runner war schon halb vom Bett gesprungen, bevor er sich bremsen konnte. Ein wenig schreckhaft, Argent? wollte ich sagen, hielt jedoch meine Zunge im Zaum.
Bei T minus zwei Minuten hocke ich mich vor das Telekom, während Argent an derselben Stelle wie zuvor außerhalb des Aufnahmebereichs der Kamera sitzt. Ich lasse zweimal die Selbstdiagnose des Tele-koms laufen - und knurre Argent ein freundliches »Scher dich zum Teufel« zu, als er kichert -, dann habe ich in dieser letzten, endlos langen Minute nichts mehr zu tun. Die Wecker an unseren Uhren fangen beide innerhalb von einer Sekunde an zu summen, und ich kann mir vorstellen, wie irgendwo in San Francisco Peg die Deckerin emsig ein weiteres Sieben-Knoten-Relais zusammenschustert, diesmal für einen Anruf, der eingeht. Auf dem Telekomschirm nimmt ein Kalibrierungsgitter Gestalt an, das Signal, daß wir bereit sind und auf Lynne Telestrians Anruf warten... vorausgesetzt, daß sie ihn tätigt.
In einem Trideofilm müßten wir jetzt die angegebene Zeit bis zum Ende ausschwitzen, bevor der Anruf käme, nur um künstlich die Spannung zu steigern. Ich schätze, ganz tief in mir gehe ich davon aus, daß die Realität genauso funktioniert, so daß ich fast an die Decke gehe, als das Telekom weniger als fünf Sekunden, nachdem es auf Sendung gegangen ist, durchdringend summt. Ich hole tief Luft und drücke auf die Sprechtaste.
Lynne Telestrians eisiges Gesicht erfüllt den Schirm. »Ich muß Ihren Eifer loben, Mr. Larson«, beginnt sie mit cooler, distanzierter Stimme. »Als ich Ihnen nahelegte, sich mit Timothys Aktivitäten zu beschäftigen, habe ich nicht so ein Ergebnis erwartet.«
Ich muß die Frage einfach stellen. »Was haben Sie denn erwartet?«
Sie zuckt die Achseln. »Ganz ehrlich? Ich habe erwartet, daß Sie
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