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Der Einzelgänger

Der Einzelgänger

Titel: Der Einzelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel Findley
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ließe.
    Also wäre es nicht besonders klug, den Austausch von Berichten und Befehlen über das Netz abzuwickeln. Tatsächliche Treffen klingen gefährlich - und manchmal sind sie das auch -, aber nicht, wenn man es richtig anstellt. Erste Regel: Mit wem ich mich auch treffe - heute ist es Cat -, ich rede mit ihnen nicht über das, was läuft. Sie sind nicht meine Leitung, sondern nur mein Briefträger.
    Auf dem Weg zur Kaffeebohne habe ich meinen Bericht im Kopf auf einen Chip ›diktiert‹, der in einer meiner Buchsen steckt. Bevor ich in das Kissaten ging, habe ich den Chip herausgenommen und in einem kleinen zylindrischen Behälter verstaut, der nicht größer als ein Zahnstocher ist. Meine Befehle befinden sich auf einem ähnlichen Chip, der irgendwo an Cat versteckt ist. Wir brauchen sie nur auszutauschen.
    Ist das nicht gefährlich? Tja, nun, sicher, aber ein gewisses Risiko muß man schon eingehen. Außerdem habe ich ein paar Schutzmaßnahmen getroffen. Zunächst einmal sind die Chips mit meinem Bericht und auch der mit den Befehlen für mich als ›Schüsse‹ getarnt, jene illegalen SimSinn-Entsprechungen, die man wie Datensoft einwerfen kann, einem aber ein halbstündiges Hoch vermitteln, bevor sie sich löschen. Jemand müßte schon ganz genau wissen, wonach er sucht, um zu erkennen, daß meine Chips etwas anderes als SimSinn-Dateien enthalten. Dann müßte dieser Jemand die Sicherheitscodierung knacken und einen sahnemäßigen kleinen Virus umgehen, der bei der geringsten Provokation alle Daten löscht. Wenn ich meine Befehle entgegennehme, werfe ich den Chip ein und kopiere die Daten direkt in meine Headware, wobei der Chip gleichzeitig gelöscht wird. Nein, nicht nur gelöscht: mit Einsen überschrieben, dann mit Nullen und dann noch einmal mit Einsen. Die Leuchten in der Forschungsabteilung des Star haben mir versichert, daß es danach völlig unmöglich ist, aus dem Chip auch nur eine Spur von Daten herauszuholen. (Ich nehme an, jemand könnte die Daten unter Benutzung von SQUIDs direkt aus meinem Headware-Speicher holen, aber das ist ein echter HiTech-Vorgang, und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß ich ruhig danebensitzen und zusehen würde? Null.)
    Das ist also meine Tarnung, und es ist eine verdammt gute. Schön, ich bin derjenige, der sie sich ausgedacht hat, aber es ist trotzdem die objektive Meinung eines der besten Undercover-Agenten, den der Star hat. Wenn mich die Cutters je bei einem dieser Treffen erwischen sollten, besteht meine Tarnung darin, daß ich dem Affen auf meinem Rücken Zucker gebe - eine geheime Schuß-Sucht. Und warum kaufe ich meine Chips nicht über das Cutters-eigene Verteilernetz? Weil ich die Bosse nicht wissen lassen will, daß ich eine Schwäche habe, Chummer. Das verstehst du doch, oder? Es ist eine gute Erklärung, die auf einem der großen Prinzipien der (meta)menschlichen Psychologie beruht. Versuch die Leute nicht davon zu überzeugen, daß du unschuldig bist. Es ist viel leichter, sie glauben zu machen, daß du eines geringfügigeren Vergehens schuldig bist. (Außerdem gibt es den Soldaten, die mich erwischen, noch einen zusätzlichen Anreiz, mich in Ruhe zu lassen. Sie wissen etwas, das ich nicht an die große Glocke hängen will, und es ist einfach (meta)menschlich, sich darüber zu freuen, etwas gegen einen anderen in der Hand zu haben.)



Mein zweiter Espresso kommt, und ich stürze auch diesen hinunter. Diesmal werfe ich die leere Tasse dem Barista zu. Er fängt sie, scheint aber nicht zu wissen, was er damit anfangen soll. Ich rücke näher an Cat heran, lege ihr den Arm um die Schulter und betatsche ihre Möpse. Sie versteift sich und schüttelt mich ab, aber mittlerweile befindet sich der Chip-Zylinder mit meinem Bericht längst in ihrem Ausschnitt. Sie ist eine bessere Schauspielerin, als ich erwartet habe. Das Gesicht, das sie mir zuwendet, ist weiß, und ihre Lippen sind vor Wut aufeinandergepreßt. Doch in ihren unmöglich violetten Augen erkenne ich immer noch den Anflug von Belustigung und vielleicht sogar noch etwas mehr als Belustigung. Wer weiß, vielleicht erinnert sie sich ja auch noch an das Wochenende im Mayflower? Es hat schon Seltsameres gegeben.
    Jetzt streichle ich ihren Oberschenkel, und sie packt meine Hand mit überraschend festem Griff und schiebt sie weg. Ich spüre, wie mir etwas Winziges, Hartes in die Hand geschoben wird, und ich lasse es rasch verschwinden. Der Austausch ist vollzogen, und die Schau, die wir abgezogen

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