Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Möglichkeit vorschlagen: dass er sie gestoßen hat. Eigentlich glaube ich nicht, dass er es getan hat. Viel zu riskant, und außerdem, um jemanden kaltblütig zu ermorden, braucht es ein anderes Motiv. Nein, Iván wollte sie erschrecken.«
Mar Ródenas senkte den Kopf. Ihr Gesicht konnte die Angst nicht mehr verbergen.
»Als das Schlimmste hinter euch war, habt ihr beschlossen, trotz allem mit eurem Plan weiterzumachen, und du hast das Foto auch an die anderen geschickt, worauf die nervös wurden. Sara hatte ihren Computer immer an, und als du einmal bei ihr zu Besuch warst, bist du an ihre E-Mails gekommen. Es war dir egal, dass du nicht alle Einzelheiten der Geschichte kanntest. Herausfinden konntest du es nicht mehr, und auf etwas verzichten, worauf du ein Anrecht zu haben glaubtest, wolltest du nicht. Außerdem war klar, dass Saras Tod die anderen ebenfalls beunruhigte. Aber Sílvia hat es dir nicht leichtgemacht. Sie weigerte sich. Und du bist wütend geworden … Deine Drohungen wurden nicht ernst genommen.«
Héctor sah, wie Mar die Tränen in die Augen stiegen. Aus Scham, vor Wut oder einfach aus Angst. Egal, er sprach weiter, lauter nun, beschuldigte diese junge Frau des Verbrechens, das sie begangen haben musste.
»Mittlerweile war dir alles egal. Saras Tod hatte euch zu unfreiwilligen Mördern gemacht, der Schritt zum Verbrechen war nur ein kleiner. Und Amanda war das perfekte Opfer. Sara hatte dir von ihren Spielen erzählt, empört über solche Praktiken, und sie sagte dir, wo Amanda jeden Sonntagabend den Schlüssel hinlegte. Dass sie praktisch schlief, kam dir gerade recht. Ich weiß nicht, ob du sonst in der Lage gewesen wärst, sie zu töten.«
»Das sind nur Vermutungen, Inspektor.«
»Bitte, Mar, versuch nicht, mich zu verscheißern! Du hast Sílvia erpresst, hast ihr gedroht, dass jemand stirbt, wenn sie nicht zahlt. Amanda musste sterben, damit deine Drohungen glaubhaft klangen. Hast du ernsthaft gedacht, jemand könnte es für Zufall halten?« Héctor lächelte. »Gerade jetzt hat einer meiner Männer Iván in der Mangel, und er mag dich noch so sehr lieben, den Mord wird er nicht auf sich nehmen. Das weißt du.«
Héctor schaute Mar Ródenas fest an und sprach nun leiser.
»Antworte mir nur auf eine Frage: Warum hast du diese Leute so gehasst?«
Mar hielt dem Blick stand.
»Sie stellen mich als einen Unmenschen dar, Inspektor«, sagte sie. »Und von der armen Sara sprechen Sie, als wäre sie eine Heilige. Aber Unmenschen waren die anderen. Sie haben zwei Menschen getötet und machen einfach weiter mit ihrem Leben, ihrem Geld, ihrer Arbeit, ihren Beziehungen. Sogar nach dem Tod meines Bruders. Ich wollte nur dasselbe: eine Arbeit, eine Wohnung, eine Zukunft. Sagen Sie nicht, ich hätte kein Recht darauf. Sie wissen genau, wie das Ganze endet. Ich komme ins Gefängnis, und sie bleiben frei. Niemand wird sich die Mühe machen, nach den Leichen dieser armen Teufel zu suchen. Um Leute wie wir kümmert sich keiner. Lesen Sie die Nachricht, die Gaspar hinterlassen hat, Inspektor. Ich trage sie immer bei mir. Lesen Sie sie und sagen Sie mir nicht, dass diese Arschlöcher es nicht verdient hätten zu sterben. Lesen Sie sie hier vor mir, und ich werde alles gestehen.«
Und Héctor las.
Alba schreit. Ich kann sie nicht dazu bringen, dass sie still ist. Ich hatte ein umfassendes Geständnis geschrieben, aber ich habe keine Zeit mehr, auch keine Kraft, es zu wiederholen. Es ist egal. Diese Welt lässt einem keine Chance. Erst die anderen, und heute Nacht Susana. Ich habe ihr alles erzählt, habe ihr gesagt, das einzig Richtige ist zu gestehen, die Wahrheit zu erzählen. Ich kann nicht leben mit diesen Toten im Kopf. Mit dem Bild der toten Hunde, dem krachenden Schädel. Mit einer Beförderung als Lohn für das Verbrechen. Ein Verbrechen, das wir alle vertuscht haben: Sílvia, Brais, Octavi, Sara, César, Manelund Amanda. Ich habe es Susana gesagt, habe es ihr erklärt, aber sie hat es nicht verstanden.
Himmel, sie hört nicht auf zu plärren. Ich habe es Susana gesagt, aber sie versteht mich einfach nicht, sie sagt, alles sei gut, ich sei nicht schuldiger als die anderen, sie werde nicht zulassen, dass ich alles aufgebe. Als spräche ich mit Sílvia, mit Octavi …
Trotzdem habe ich das Geständnis zu Papier gebracht. Heute Nacht. Während sie schliefen. Ich habe alles aufgeschrieben, ohne etwas auszulassen. Und als ich zum Ende kam, fühlte ich mich, als wäre ich ein anderer. Ruhig, zum
Weitere Kostenlose Bücher