Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
plötzlich sah, dass sie damit in Konflikt geriet. Auf der einen Seite war der Pakt mit den Kollegen, auf der anderen die Sympathie für dich. Am Ende war die Treue zum Pakt stärker. Und du warst sauer, stimmt’s? Sie war nicht länger eine Verbündete, sondern ein Hindernis: Sie wusste zu viel.«
Inspektor Salgado brachte die Fakten in eine Reihe, und sie führten nur zu einem Schluss.
»Also hast du an dem Abend vor dem Dreikönigstag beschlossen, dich mit ihr zu treffen, hast sie ein weiteres Mal gedrängt, dir zu sagen, was du noch wissen musstest. Aber sie weigerte sich rundheraus. Ihr habt euch gestritten. Übrigens warst du damals blond, nicht wahr? Ihr habt euch beide die Haare gefärbt, du blond und sie tiefschwarz.«
Mar schaute zu ihm. Noch immer leuchtete die Wut auf dem Grund ihrer Augen.
»Sie wollte es mir ausreden, und da habe ich verstanden, dass sie genauso war wie die anderen. Und das habe ich ihr gesagt.« Die Wut war nun heller Zorn. »Ich habe ihr alles an den Kopf geworfen, habe sie beschimpft. Habe sie daran erinnert, dass ihr jeden Moment noch mal passieren könnte, wovor sie solche Angst hatte.«
»Sara Mahler war Opfer eines sexuellen Übergriffs gewesen, nicht wahr?«
»Vor Jahren«, sagte sie abfällig. »Sara war frigide, und Männer erschreckten sie. Sie war nicht mal in der Lage, einTaxi zu nehmen. Bloß um nicht allein mit einem Mann zu sein.«
»Was hast du mit ihr gemacht?«, fragte Héctor leise.
»Nichts. Ich habe ihr nur gesagt, dass mein Freund und seine Kumpels sich dann um sie kümmern. Für mich war klar: Wenn Sara nicht freiwillig darauf einging, würde sie unfreiwillig schweigen.«
Héctor schüttelte den Kopf, versuchte das Bild zusammenzusetzen.
»Ich weiß nicht, wie du es angestellt hast, ich nehme an, während sie auf der Toilette war. Jedenfalls hast du ihr Handy genommen und alle Daten gelöscht, um zu verhindern, dass sie jemanden anruft, zumindest nicht an diesem Abend, als ihr sie verfolgt habt. Außerdem blieb so keine Spur eurer Freundschaft.« Héctor schlug nun einen anderen Ton an. »Du hast Iván angerufen, deinen Freund. Er sollte im Bahnhof auf Sara warten. Sara war völlig durcheinander, als sie zur Metro ging. Sie fühlte sich elend: Erst hatte sie ihre Kollegen verraten, und dann hattest du sie enttäuscht. Außerdem machten deine Drohungen ihr Angst.«
Héctor hatte für die Vorführung schon alles bereitgestellt.
»Keiner von euch hat damit gerechnet, dass Sara sterben könnte. Ihr wolltet sie nur erschrecken. Aber die Sache ist euch entglitten.« Er dachte an Forts Erklärung, die sich zumindest als halb richtig herausgestellt hatte. »Heute Morgen haben wir die Bilder erhalten, die an dem Bahnsteig für die Gegenrichtung aufgenommen wurden. Ich glaube, da werden wir deinem Iván begegnen. Eure große Hoffnung war die Anonymität: dass niemand euch mit der Sache in Verbindung bringt, dass die Leute sich untereinander verdächtigen, dass wir nicht wissen, nach wem wir suchen sollen.«
Mar wandte den Blick vom Bildschirm und starrte den Inspektor an.
»Nein«, sagte Héctor. »Du sollst sehen, wie Sara gestorben ist. Das hast du verdient.«
Er schaltete ein. Vor ihnen erschien der graue Bahnsteig. Und Sara, wie sie sich nervös umschaute, das Handy in der Hand.
»Als sie sah, dass alles gelöscht war, musste sie gemerkt haben, dass du etwas vorhattest«, fuhr Héctor fort. »Dass deine Drohungen kein Scherz waren. Jetzt sieh schon hin! Sei wenigstens so anständig und sieh dir an, was ihr getan habt.«
Mar Ródenas gehorchte. Und tatsächlich, ihr Gesichtsausdruck änderte sich.
»Dann hast du ihr das Foto geschickt, aus einem Internetcafé in der Nähe des Restaurants. Es hätte sie erst später erreichen können, aber es erwischte sie noch auf dem Bahnsteig. Die Angst wurde noch größer. Und Iván, der gesehen hatte, wie sie hinunterging, musste nur kurz auftauchen, nach ihr rufen oder ihr ein Messer zeigen. Und Sara war so verzweifelt, dass sie das Einzige tat, was ihr in den Sinn kam, um zu entfliehen.«
Die Metro fuhr in die Station ein. Die Jungs aus der Dominikanischen Republik füllten den Vordergrund aus, aber Héctor konnte fast sehen, was die Bilder nicht zeigten: die arme Sara, wie sie auf die Gleise sprang, um etwas zu verhindern, was für sie noch schlimmer war als der Tod.
»Dafür haben Sie keine Beweise, Herr Inspektor«, sagte Mar kämpferisch.
»Egal, dein Freund wird schon gestehen, wenn wir ihm die andere
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