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Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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der Theke sitzen. Ab und zu kam Juri zu ihm, trank etwas und ging wieder zurück auf die Tanzfläche. Juri tanzt gut, head delay und alles, es gelang ihm mehrmals, Paarfiguren mit Frauen auszuführen. Die Atmosphäre war aufgeheizt, Kopp rann der Schweiß in Bächen von der Stirn, obwohl er sich gar nicht bewegte. Gegen drei Uhr früh war er des Zuschauens leid, Hunger hatte er auch wieder, und in der Bar gab es nichts Anständiges zu essen.
    Solidarisch, wie er nun einmal ist, begleitete ihn Juri, und sie aßen noch einen Döner und tranken noch ein Bier. Dieses letzte Bier war scheinbar zu viel, denn plötzlich sprang Juri auf und rannte einfach los, an den Straßenbahnschienen entlang auf den S-Bahnbogen zu - He! Was soll das? Kopp rannte ihm schwerfällig hinterher - unter diesem hindurch, auf den Fluss zu, auf die Brücke, ans Geländer, wo er schließlich stehen blieb. Er zerrte am Geländer, als wollte er es herausreißen, und brüllte dem Dom, dem Museum und schließlich dem Markt zu: Mehr! Mehr! Mehr! Ich will mehr!
    Er ließ das Geländer los.
    Nix los. Diese Stadt ist so scheiß öde, Mann.
    Sturzbesoffen wie er war, setzte sich Juri auf den Gehsteig. Da erst merkte Kopp, wie sturzbesoffen der war.

    He, sagte Kopp, mach das nicht. Nicht hinsetzen.
    Juri ließ sich wieder hochzerren. Ging schwankend.
    Los, wir gehen ins Bordell.
    Sorry, Alter, ich hab’s dir schon gesagt: Ich bin verliebt.
    Arschloch. Verzweifelt: Ich will auf den Arm genommen werden!
    Das passiert schon noch, Alter, man darf die Hoffnung nicht aufgeben. Nein, die darfst du nicht aufgeben. Hörst du? Niemals! (Ich bin auch ganz schön besoffen, verdammte Scheiße.)
    Plötzlich musste Kopp gähnen. Er war nicht etwa so müde - er war natürlich auch müde - es war etwas anderes: plötzlich war er heftig gelangweilt, nein, auch das ist etwas anderes, plötzlich empfand er klar: Es ist genug. Ich bin den irdischen Vergnügen durchaus zugetan, wenn einer einen Spaß verdirbt, dann bestimmt nicht Darius Kopp, aber für den Moment war es vorbei. Der Sommer ist vorbei, Alter, egal, dass die Hitze noch tobt.
    Was für ein Glück, dass Flora gerade zwei Tage frei sowie das Wochenendhaus einer Freundin in einem Waldstück vor der Stadt zur Nutzung überlassen bekommen hatte, so konnten sich endlich alle entspannen.
     
    Doch bevor es dazu kommen kann, bevor wir uns um 4 Uhr am Nachmittag, also in kaum 1,5 Stunden, mit unserer Frau treffen und auf die Datscha fahren, muss eine einzige Sache noch erledigt werden.
    Der Forecast für den September ist fällig. Genauer gesagt, ist er seit einer Woche überfällig. Der Forecast ist nicht gerade Darius Kopps Lieblingsdisziplin - Schließlich bin ich nicht das Orakel von Delphi! - dabei herrschte bei Fidelis bislang in diesen Dingen eine recht moderate Praxis. Einmal im Monat
ist nun wirklich nicht die Welt. Es soll Firmen geben, bekannte, große Firmen, bei denen man jede Woche einen Vorausbericht machen muss. - Was gedenken Sie, aber ganz genau, in der KW 37 an Umsatz zu generieren? Und, später, wenn es nicht gelungen ist: Wieso nicht? Etwas hat sich aus zahlreichen, nachvollziehbaren, logischen, durch Sie nicht beeinflussbaren, äußeren, schicksalhaften, zufälligen Gründen um eine Woche verschoben? Wieso? Jaja, wir hören, dass die Gründe zahlreich, nachvollziehbar, logisch, durch Sie nicht beeinflussbar, äußerlich, schicksalhaft, zufällig waren und dass es sich nur um eine Woche handelt. Dennoch: Wieso? - Nein, bei uns lief das bisher eher freundschaftlich, etwas Wahrheit, etwas Dichtung, dennoch ist Kopp immer in Verspätung, und Anthony, wer hätte daran gezweifelt, kann das auf den Tod nicht ausstehen. (Korinthenkacker. Und überhaupt. Was soll ich da reinschreiben? Genehmigung vorausgesetzt?)
    Aber schließlich hörte er auf zu jammern, zu lamentieren und zu meckern, er gab sich einen Ruck und hämmerte mit seinen dicken Fingern auf die Tastatur:
    1. Stadtverwaltung Süddeutschland - Memo an die Buchhaltung: Haben sie schon gezahlt? 16 000
    2. Budapest, Herr Szilagyi
    Das kann ich gleich weitergeben. Das ist ein OEM-Geschäft, und wir erinnern uns, was der Boss gesagt hat: Der OEM bin ich. (Und mir gehen wie viel durch die Lappen? Immerhin 25 000. Wird das irgendwo registriert?)
    3. Die Armenier. Memo an die Buchhaltung: Haben sie gezahlt?
    Wenn ja, Memo an den Vertrieb: Bitte nunmehr unverzüglich liefern. Kunde wartet seit 17 (Ausrufungszeichen!) Wochen. 50 000.
    Und das war leider schon

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