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Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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einen Herzinfarkt erlitt und schon tot war, als er auf dem Asphalt aufschlug und von dort in den Straßengraben rutschte. (Juri: Da nützt dir freilich auch ein Helm nichts!) Heute wird, was man hört, nicht gekegelt werden, denn Rolf hat Geburtstag und außerdem eine neue rollstuhlgerechte Wohnung bezogen, in unmittelbarer Nähe des Klinikums. Vierter Stock, mit Fahrstuhl. Endlich einmal muss man sich als Behinderter die Stadt nicht von unten anschauen. Man kann vom Balkon aus direkt aufs Klinikgelände sehen, nicht auf die Notaufnahme, sondern auf das schöne Backsteingebäude der Klinikleitung, auf dem Rasenstück davor bildet ein Nebelgrauer Trichterling einen Hexenring, dessen eine Hälfte innerhalb und die andere außerhalb der Außenmauer wächst - Was ist ein Nebelgrauer Trichterling und was ein Hexenring? Eine Pilzart, ein Kreis - aber ganz besonders liebt Rolf dem Vernehmen nach den Anblick der Blutboten, die auf weißen Fahrrädern zwischen den Gebäuden unterwegs sind.
     
    Ich möchte mein Herz ausschütten. Nein, das wäre nicht nötig. Eine einfache Frage würde ausreichen. Den günstigen Moment abwarten und sie einwerfen, wie ein nächstes Thema, ein Angebot zum Mitspielen: Freunde, ich hätte eine Frage. Würdet ihr eine größere Menge Bargeld für mich einzahlen?
    Rolf würde einfach nicken, höchstens noch fragen: Wann, wo?
    Potthoff würde enthusiastisch Ja rufen, aber dürfte man sich in scherzhaftem (sensationslüsternem) Ton erkundigen, was, woher, wieso?

    Muck würde es detailgenau wissen wollen: Was würde eine Einzahlung konkret bedeuten, mit was für Konsequenzen müsste man rechnen? Kann man von einem Freund verlangen, dass er im Fall der Fälle die Abgebrühtheit besitzt, auf eine Nachfrage von offizieller Seite so zu antworten, wie es einem das Gesetz erlaubt, nämlich: Solange es sich um eine Summe unter 10 000 handelt, geht Sie das gar nichts an? Oder, höflichkorrekter: Ich möchte von meinem Recht Gebrauch machen, keine Auskunft erteilen zu müssen. Oder, den Simpel gebend: Ich verstehe überhaupt nicht, was Sie meinen? Ist es denn nicht erlaubt? Muck würde sich absichern, er würde seine Frau fragen, aber schlussendlich wäre er dabei.
    Halldor würde gar nichts sagen. Man wüsste nicht, woran man mit ihm ist. Ob er leidenschaftlich dagegen oder leidenschaftlich dafür ist. Kopp würde dem auch nicht auf den Grund gehen wollen. Mit Halldor gerät man neuerdings leicht in Streitigkeiten. Halldor hat Prinzipien. Diese hat Kopp noch nicht durchschaut, sie haben etwas mit Richtigkeit und Moral zu tun, was sich bekanntlich nicht mit legal decken muss. (Aber es wäre ja sogar legal!) Egal, Halldor bräuchte man nicht unbedingt.
    Dafür Juri. Der, am besten von allen informiert, bis zum Schluss warten würde, bevor er sich entscheidend zu Wort meldet. Im Prinzip ja, klar, mache ich das für dich, aber eins würde mich interessieren: Wozu der Eifer? Wieso machst du dir die Mühe und die Gedanken überhaupt? Sollen die sich die Mühe und die Gedanken machen. Du bist nur ein Angestellter. Wenn man dich erwischt, und warum sollte man dich nicht erwischen (???), werden sie dich so was von im Stich lassen, das kannst du wissen.
    (Wieso kann ich das wissen? Ich fühle mich unangenehm berührt.)

    Aber, da wir schon dabei sind, hypothetische Gespräche zu führen, Juris Augen würden anfangen zu funkeln, angenommen, nur angenommen, du würdest nichts davon tun … Erst einmal abwarten … Wenn keiner danach fragt …
    Ab hier wäre dann nichts Vernünftiges mehr zu holen. Die anderen würden nach dem neuen Spielangebot schnappen wie übermütige Welpen: Was die Armenier wohl machen würden, was Kopp machen müsste, ob er gezwungen wäre, unterzutauchen, wie weit käme man mit 40 000, wie wäre ein Leben in der Illegalität, ständig in Bewegung bleiben, ein bewegliches Ziel bieten, unauffällig und vor allem ruhig, denk daran: wenn du wie ein Hase läufst, wird man dich, wie einen Hasen schießen …
    Ping! sagte der Laptop. »In 1 Stunde: 18:38, Juri: Afterwork bei Rolf.« Wieso eigentlich 38? Wahrscheinlich nur vertippt. 1 Stunde, bis Juri kommt und mich abholt. Die Gelegenheit für einen letzten Anlauf.
     
    Zum Beispiel könnte man noch einen Versuch bei Michaelides machen. Nur, um wieder ein endloses Klingeln ohne jede Antwort zu hören. Erneut war Kopp etwas verärgert, was nicht Michaelides galt - Im Gegenteil: er war erleichtert. Dafür besteht kein Grund. Ich weiß - sondern London.

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