Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman
Tasse in beiden Händen, sah ihn endlich an.
Er war jünger, als Kopp ihn in Erinnerung hatte (ich dachte, wir wären etwa gleich alt), wohl gekämmter (so wohl gekämmt ist man doch heutzutage gar nicht mehr!), bunter gekleidet (die Hose zum lachsfarbenen Hemd war mittelblau) und er trug eine Brille mit dicken Gläsern. Diese war Kopp bisher ebenfalls nicht aufgefallen, mir ist nicht aufgefallen, dass er überhaupt eine Brille trägt, diese dicken Gläser, auch diese trägt man heute nicht mehr, seine Augen dahinter können nicht anders aussehen als aufgerissen und ausdruckslos. Kopp konnte nicht anderes, er stufte sich sofort höher ein als diesen jugendlichen Tollpatsch, sein Lächeln und seine Stimmlage wurden gönnerhafter, dafür wiederum schämte er sich.
Tut mir leid, sagte Darius Kopp. Noch mal wegen des Hemds. Aber, wie ich sehe, ließ es sich noch retten.
Das ist ein anderes. Aber: ja, natürlich. Man musste es nur waschen.
Die Stimme des Lachs war überraschend gut. Wie die eines wesentlich attraktiveren Menschen. Jetzt lächelte er auch. Kopp war erleichtert.
Darius Kopp, Fidelis Wireless.
Peter Michael Klein, Medconsult.
Med wie Medizin oder Med wie Medien?
Herstellerunabhängige Beratung für medizinische Einrichtungen.
Ah, sagte Darius Kopp.
Mehr war nicht zu sagen. Kopp lächelte noch einmal und wandte sich dem Kaffeeautomaten zu.
Zu seiner Irritation ging Peter Michael Klein aber mit der eigenen Tasse nicht weg, er blieb hinter ihm stehen. Kopp konzentrierte sich auf die Maschine: das Mahlwerk etc …
Wireless, sagte der Medconsultant in seinem Rücken. Viele Kliniken rüsten jetzt damit auf.
Einen Moment, sagte Darius Kopp.
Während er auf das Büro zuging (rannte; warum, um Gottes willen, rennst du, wie sieht das aus? zu spät) fiel ihm ein, dass er nicht wusste, wo er seine Visitenkarten hatte. Wo hatte er das letzte Mal das blaue Plastiketui (unser Give-away) gesehen, und wo waren die anderen Karten, die noch im Karton der Druckerei steckten, wo war dieser Karton? (Kartons, Kartons, immer diese Kartons!) Da er gerannt war, hatte er das Signal gegeben, ein Schneller zu sein, aber wenn er ein Schneller war, dann konnte er jetzt nicht langsam suchen, dann war seine Zeit begrenzt, und auf keinen Fall konnte er mit den Worten zurückkehren: ich finde sie gerade nicht. Was bleibt einem in so einer Situation übrig: doch nur die Flucht nach vorn. Darius Kopp trat sie an. Er tappte an den Schreibtisch, wischte aufs Geratewohl einige Papiere beiseite und griff einfach irgendwohin, dazwischen. Und, siehe da: er hatte sogar 3 Visitenkarten in der Hand. Aber sind es meine ? Ja! Zwei warf er zurück, dann hob er sie wieder auf. Welche ist am saubersten und unverknittersten? Diese trug er hinaus.
Sie tauschten ihre Karten, anschließend tranken sie ihre Getränke gemeinsam in der Küche stehend. Sie unterhielten sich, und auf welchen Gegenstand auch immer die Rede kam, sprach Peter Michael Klein mit so viel Kenntnis, Verstand und gutem Geschmack, dass Darius Kopp nach dem Abschied noch
eine Weile rückwärts auf sein Büro zuging, um seinem Nachbarn länger lachend zuwinken zu können. In der einen Hand eine Tasse mit (einem nächsten) heißen Cappuccino, mit der anderen winkend, rückwärts, so ging Darius Kopp auf sein Büro zu.
Wieder einmal den Löffel vergessen, macht nichts, er lachte, griff erneut in den Wust auf seinem Schreibtisch, hatte einen Stift in der Hand, einen wahrscheinlich ohnehin schon längst eingetrockneten Plastikkugelschreiber mit Werbeaufdruck, mit diesem rührte er den Extrazucker im Cappuccino auf. Kichernd leckte er den Stift ab und warf ihn zurück auf den Tisch. Der Stift traf im Niederfallen die Telefonnotizen: Pecka-Aschenbrenner-Mirsa, sie verschoben sich gegeneinander, statt 4 Ecken waren nun 7 zu sehen. Kopp nahm einen großen Schluck Schaum, setzte sich und zog den untersten Zettel heraus.
Frau »Susanna Mirsa« hieß richtig Shahzana und Mirza, sie vertrat eine Organisation, die etwas mit Pakistan und etwas mit Deutschland zu tun hatte, Kultur, Kommunikation, Wirtschaft. Näheres konnte Darius Kopp auf die Schnelle nicht herausfinden, denn das Telefonat mit Frau Mirza war von so einer skurrilen Hektik, dass Kopp seine gesamte Aufmerksamkeit brauchte, um wenigstens das Minimum mitzubekommen.
Es fing damit an, dass er es nicht klingeln hörte. Er hatte ohne jeden Anlauf gleich ihre atemlose Stimme im Ohr:
Hallo?! Hallo?! Wer ist da?!
Oh, sagte
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