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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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beiden sahen nach Carls Ansicht jedenfalls wie Nationalökonomen aus, wie Leute, die auf dem Gymnasium nicht in der Handballmannschaft hatten mitspielen dürfen.
    »Nun, wenn alle da sind, können wir anfangen«, sagte der Ministerpräsident mit einem scheelen und humorlosen Seitenblick auf den verspäteten Staatssekretär. »Wir befinden uns also in einer außerordentlich prekären Lage, und ich habe daher bewußt darauf verzichtet, euch am Telefon nähere Auskünfte zu geben. Ihr könnt damit anfangen, daß ihr das Memorandum lest, das hier auf dem Tisch liegt.«
    Mit Ausnahme Carls streckten die anderen die Hände aus und schnappten sich den zwei Seiten langen Bericht, den er am Tag zuvor abgeliefert hatte. Er sah, daß er jetzt einen Eingangsstempel trug und als »Streng geheim« klassifiziert war.
    Es dauerte nur einige Sekunden, bis der Raum vor Erregung vibrierte. Es war deutlich zu spüren, obwohl jeder nur las und sonst nichts tat; es waren kleine, fast unmerkliche Signale der Körpersprache und des veränderten Atemrhythmus.
    »Wie aus dem Text hervorgehen dürfte, haben wir jetzt eine nicht ganz leichte Diskussion vor uns«, begann der Ministerpräsident. »Ich könnte mir vorstellen, daß es klug wäre, zunächst die Sachlage zu bewerten.«
    Wenn der Ministerpräsident sagte, er könne sich etwas vorstellen, so bedeutete dies, daß er sich nichts anderes vorstellen konnte. Bewertung der Sachlage bedeutete, daß die anderen Carl um weitere Details bitten sollten, um diese dann anschließend zu drehen und zu wenden. Insoweit lief alles in den gewohnten Bahnen.
    »Nun, Katzenscheiße ist das ja nicht gerade«, sagte einer der Gehilfen des Regierungschefs und machte gleich danach den Eindruck, als hätte er seine Wortwahl auf der Stelle bereut.
    »Wie sicher können wir sein, daß es tatsächlich um Kernwaffen geht?«
    »Wert und Gewicht der Fracht deuten daraufhin. Die großen Ausgaben, die der Transport offenbar wert war, sowie die Tatsache, daß man deswegen auch bereit war zu töten«, begann Carl, an den die Fragen offenbar gerichtet waren. Er warf einen Seitenblick auf den Ministerpräsidenten, bevor er fortfuhr. Er wollte sich vergewissern, daß er nicht an dessen Stelle antwortete.
    »Dann haben wir den Zeitpunkt. Genau zu dieser Zeit lief ein großangelegter Versuch, Kernwaffen aus der damaligen Sowjetunion zu schmuggeln. Und schließlich noch die Herkunft der Lieferung, Murmansk. Die Kernwaffen, die wir sichergestellt haben, kamen genau von dort. Außerdem, wie schon gesagt, zum gleichen Zeitpunkt. Ich weiß aber nicht, inwieweit die Herren mit dieser Operation vertraut sind…?«
    Er sah den Ministerpräsidenten an, um diesem das Wort zu übergeben, um an dessen Stelle nicht zuviel zu sagen, um dessen Kompetenz nicht durch die kleinste Kleinigkeit in Frage zu stellen.
    »Ja, es geht also um die Ereignisse, die wir unter der Bezeichnung Operation Dragon Fire zusammengefaßt haben«, übernahm der Ministerpräsident im Befehlston das Wort.
    »Personal der schwedischen Streitkräfte hat im Dezember des vergangenen Jahres gegen eine Lieferung, eine geplante Lieferung von Kernwaffen eingegriffen. Die Zeitungsmeldungen entsprechen im großen und ganzen den Tatsachen. Die genannten Regierungen waren an sämtlichen Entscheidungen beteiligt. Dieses Thema können wir verlassen, glaube ich.«
    »Was ist mit den Schmugglern passiert?« fragte der Staatssekretär, als hätte er die Bemerkung nicht gehört, das Thema sei erledigt. Die Frage war offenkundig an Carl gerichtet.
    »Wir haben die Schmuggler befehlsgemäß festgenommen«, erwiderte Carl ausdruckslos.
    »Wie schon gesagt«, unterstrich der Ministerpräsident.
    »Könnte es sich deiner Ansicht nach, Hamilton, um zwei gleichzeitige Schmuggelversuche gehandelt haben?«
    »Nein«, entgegnete Carl, »das ist nicht meine Ansicht. Die beiden Methoden sind so unterschiedlich, ich meine, einerseits eine gewöhnliche Multbeerenladung mit einem Lastwagen, der sie auf einer wohlbekannten und gewohnten Strecke transportiert. Und andererseits ein spektakuläres Vorhaben mit fast heroischem Einsatz. Die Leute schleppen Schlitten dreihundert Kilometer in der Polarnacht durch den Schnee und…«
    »Kann das nicht eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen sein, daß die Leute nicht einfach alle Eier in einen Korb legen wollten? Wenn das eine nicht geht, geht vielleicht das andere?« unterbrach ihn der Ministerpräsident und runzelte die Stirn.
    »Doch,

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