Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
herrschte auf einer Universität der Komment, daß von den Studenten jedes Ehrenwort, welches dem Universitäts-Richter gegeben werden mußte, für null und nichtig angesehen wurde. Die Studenten sahen nämlich in der Abforderung desselben nichts als einen Fallstrick, dem sie nicht anders entgehen könnten, als durch Entziehung aller Bedeutsamkeit desselben. Wer ebendaselbst einem Kommilitonen sein Ehrenwort brach, war infam; wer es dem Universitäts-Richter gab, lachte im Verein mit eben diesen Kommilitonen den Getäuschten aus, der sich einbildete, daß ein Wort unter Freunden und unter Feinden denselben Wert habe. Weniger eine richtige Theorie als die Not der Praxis hatte dort die Studierenden so zu handeln gelehrt, da sie ohne jenes Auskunftsmittel erbarmungslos zum Verrat an ihren Genossen getrieben worden wären. Wie aber das Mittel praktisch sich bewährte, so hat es auch seine theoretische Bewährung. Ein Ehrenwort, ein Eid ist nur für den eines, den Ich berechtige, es zu empfangen; wer Mich dazu zwingt, erhält nur ein erzwungenes, d. h. ein feindliches Wort, das Wort eines Feindes, dem man zu trauen kein Recht hat; denn der Feind gibt Uns das Recht nicht.
Übrigens erkennen die Gerichte des Staats nicht einmal die Unverbrüchlichkeit eines Eides an. Denn hätte Ich Einem, der in Untersuchung kommt, geschworen, nichts wider ihn auszusagen, so würde das Gericht trotz dem, daß ein Eid Mich bindet, meine Aussagen fordern und im Weigerungsfalle Mich so lange einsperren, bis Ich Mich entschlösse, – eidbrüchig zu werden. Das Gericht »entbindet Mich meines Eides«; – wie großmütig! Kann Mich irgendeine Macht des Eides entbinden, so bin Ich selber doch wohl die allererste Macht, die darauf Anspruch hat.
Als Kuriosität und um an allerlei übliche Eide zu erinnern, möge hier derjenige eine Stelle finden, welchen Kaiser Paul den gefangenen Polen (Kosciuszko, Potocki, Niemcewicz usw. ), als er sie freiließ, zu leisten befahl: »Wir schwören nicht bloß dem Kaiser Treue und Gehorsam, sondern versprechen auch noch, unser Blut für seinen Ruhm zu vergießen; Wir verpflichten Uns, alles zu entdecken, was Wir jemals für seine Person oder sein Reich Gefahrdrohendes erfahren; wir erklären endlich, daß, in welchem Teile des Erdkreises wir uns auch befinden, ein einziges Wort des Kaisers genügen solle, Alles zu verlassen und uns sogleich zu ihm zu begeben.«
In Einem Gebiete scheint das Prinzip der Liebe längst vom Egoismus überflügelt worden zu sein und nur noch des sichern Bewußtseins, gleichsam des Sieges mit gutem Gewissen, zu bedürfen. Dies Gebiet ist die Spekulation in ihrer doppelten Erscheinung als Denken und als Handel. Man denkt frisch darauf los, was auch herauskommen möge, und man spekuliert, wie Viele auch unter unseren spekulativen Unternehmungen leiden mögen. Aber wenn es endlich zum Klappen kommt, wenn auch der letzte Rest von Religiosität, Romantik oder »Menschlichkeit« abgetan werden soll, dann schlägt das religiöse Gewissen und man bekennt sich wenigstens zur Menschlichkeit. Der habgierige Spekulant wirft einige Groschen in die Armenbüchse und »tut Gutes«, der kühne Denker tröstet sich damit, daß er zur Förderung des Menschengeschlechts arbeite und daß seine Verwüstung der Menschheit »zu Gute komme«, oder auch, daß er »der Idee diene«; die Menschheit, die Idee ist ihm jenes Etwas, von dem er sagen muß: es geht Mir über Mich.
Es ist bis auf den heutigen Tag gedacht und gehandelt worden um – Gottes willen. Die da sechs Tage durch ihre eigennützigen Zwecke alles niedertraten, opferten am siebenten dem Herrn, und die hundert »gute Sachen« durch ihr rücksichtsloses Denken zerstörten, taten dies doch im Dienste einer andern »guten Sache« und mußten – außer an sich – noch an einen Andern denken, welchem ihre Selbstbefriedigung zu Gute käme, an das Volk, die Menschheit u. dgl. Dieses Andere aber ist ein Wesen über ihnen, ein höheres oder höchstes Wesen, und darum sage Ich, sie mühen sich um Gottes willen.
Ich kann daher auch sagen, der letzte Grund ihrer Handlungen sei die – Liebe. Aber nicht eine freiwillige, nicht ihre eigene, sondern eine zinspflichtige, oder des höhern Wesens (d. h. Gottes, der die Liebe selbst ist) eigene Liebe, kurz nicht die egoistische, sondern die religiöse, eine Liebe, die aus ihrem Wahne entspringt, daß sie einen Tribut der Liebe entrichten müssen , d. h. daß sie keine »Egoisten« sein dürfen.
Wollen Wir die
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