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Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Titel: Der Einzige und sein Eigentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Stirner
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darf nie »als ein Recht in Anspruch nehmen«, was ihr nur »als Gunst zu erbitten« erlaubt ist. Die Liebe, Ergebenheit usw. heischt mit unabwendbarer Bestimmtheit, daß nur Ein Wille sei, dem die Andern sich ergeben, dem sie dienen, folgen, den sie lieben. Ob dieser Wille für vernünftig oder für unvernünftig gelte: man handelt in beiden Fällen sittlich, wenn man ihm folgt, und unsittlich, wenn man sich ihm entzieht. Der Wille, der die Zensur gebietet, scheint Vielen unvernünftig; wer aber sein Buch im Lande der Zensur dieser unterschlägt, der handelt unsittlich, und wer ihr's vorlegt, handelt sittlich. Quittierte Einer sein sittliches Urteil, und errichtete z. B. eine geheime Presse, so müßte man ihn unsittlich nennen, und unklug obenein, wenn er sich erwischen ließe; aber wird ein solcher Anspruch darauf machen, in den Augen der »Sittlichen« einen Wert zu haben? Vielleicht! – Wenn er sich nämlich einbildete, einer »höhern Sittlichkeit« zu dienen.
    Das Gewebe der heutigen Heuchelei hängt an den Marken zweier Gebiete, zwischen denen Unsere Zeit herüber und hinüber schwebt und ihre feinen Fäden der Täuschung und Selbsttäuschung anklebt. Nicht mehr kräftig genug, um zweifellos und ungeschwächt der Sittlichkeit zu dienen, noch nicht rücksichtslos genug, um ganz dem Egoismus zu leben, zittert sie in dem Spinnennetze der Heuchelei bald zur einen bald zum andern hin, und fängt, vom Fluche der Halbheit gelähmt, nur dumme, elende Mücken. Hat man's einmal gewagt, einen »freien« Antrag zu stellen, gleich verwässert man ihn wieder mit Liebesversicherungen und – heuchelt Resignation ; hat man anderseits die Stirne gehabt, den freien Antrag mit sittlichen Verweisungen auf Vertrauen usw. zurückzuschlagen, gleich sinkt auch der sittliche Mut, und man versichert, wie man die freien Worte mit besonderem Wohlgefallen usw. vernehme: man – heuchelt Anerkennung . Kurz man möchte das Eine haben, aber das Andere nicht entbehren: man möchte einen freien Willen haben, aber den sittlichen bei Leibe nicht missen. – Kommt nur zusammen, Ihr Liberalen, mit einem Servilen. Ihr werdet jedes Wort der Freiheit mit einem Blick des loyalsten Vertrauens versüßen, und er wird seinen Servilismus in die schmeichelndsten Phrasen der Freiheit kleiden. Dann geht Ihr auseinander, und er wie Ihr denkt: Ich kenne Dich, Fuchs! Er wittert an Euch so gut den Teufel, als Ihr an ihm den alten finstern Herrgott.
    Ein Nero ist nur in den Augen der »Guten« ein »böser« Mensch; in den Meinigen ist er nichts als ein Besessener , wie die Guten auch. Die Guten sehen in ihm einen Erzbösewicht, und delegieren ihn der Hölle. Warum hinderte ihn nichts in seinen Willkürlichkeiten? Warum ließ man sich so viel gefallen? Waren etwa die zahmen Römer, die von einem solchen Tyrannen sich allen Willen binden ließen, um ein Haar besser? Im alten Rom hätte man ihn augenblicklich hingerichtet, wäre nie sein Sklave geworden. Aber die jetzigen »Guten« unter den Römern setzten ihm nur die sittliche Forderung entgegen, nicht ihren Willen ; sie seufzten darüber, daß ihr Kaiser nicht der Sittlichkeit huldige wie sie: sie selber blieben »sittliche Untertanen«, bis endlich Einer den Mut fand, die »sittliche, gehorsame Untertänigkeit« aufzugeben. Und dann jauchzten dieselben »guten Römer«, die als »gehorsame Untertanen« alle Schmach der Willenlosigkeit ertragen hatten, über die frevelhafte, unsittliche Tat des Empörers. Wo war denn bei den »Guten« der Mut zur Revolution , den sie jetzt priesen, nachdem ein Anderer ihn gefaßt hatte? Die Guten konnten diesen Mut nicht haben, denn eine Revolution, und gar eine Insurrektion, ist immer etwas »Unsittliches«, wozu man sich nur entschließen kann, wenn man aufhört, »gut« zu sein, und entweder »böse« wird, oder – keins von beiden. Nero war nicht schlimmer als seine Zeit, in der man nur eins von beiden sein konnte, gut oder böse. Seine Zeit mußte von ihm urteilen: er sei böse, und zwar im höchsten Grade, nicht ein Flauer, sondern ein Erzböser. Alle Sittlichen können nur dieses Urteil über ihn fällen. Schurken, wie er war, leben heute noch mitunter fort (siehe z. B. Memoiren des Ritters von Lang.) inmitten der Sittlichen. Bequem lebt sich's allerdings unter ihnen nicht, da man keinen Augenblick seines Lebens sicher ist; allein lebt man unter den Sittlichen etwa bequemer? Seines Lebens ist man da ebensowenig sicher, nur daß man »im Wege Rechtens« gehängt wird,

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