Der eiserne Gustav
Weisung bekam; der Schimmel war schon längst empört gewesen über das Schreckgespenst, das direkt vor ihm hielt. Gerade hatte der Chauffeur angefangen, an der Kurbel zu drehen, aus dem Auspuffrohr unter des Schimmels Nase kamen kleine, dicke, stinkende, blaue Wölkchen …
»Sachte, Hackendahl, sachte!« schrie der Geheimrat, denes fast vom Sitz geschleudert hatte. »Fahren Sie langsam! – Sie sollen langsam fahren, Hackendahl, ich will keine Wettfahrt …!«
Hackendahl wollte auch keine, es war nur schade, daß man dies dem Schimmel nicht begreiflich machen konnte. Das aufgeregte Tier raste die Bendlerstraße im Galopp hinunter, bog so scharf in die Tiergartenstraße ein, daß die Räder gegen die Bordkante schrammten, und ging nun, ein wenig ruhiger, aber immer noch ins Gebiß schäumend, an den grünen Rasenflächen entlang.
»Ich glaube, Sie sind des Teufels, Hackendahl!« stöhnte der Geheimrat von hinten.
»Das ist der Schimmel«, rief Hackendahl. »Der haßt Automobile.«
»Ich dachte, Sie führen nur sanfte Tiere?«
»Tu ich auch, Herr Geheimrat! Aber wenn solch ein Ding ihm direkt in die Nase stinkt und knallt!«
»Also immer langsam, keinesfalls eine Wettfahrt«, befahl der Geheimrat.
Gottlob war keine Aussicht auf Wettfahrten. Hackendahl fuhr schon um den Rolandsbrunnen, er sah sich vorsichtig um: Von dem Automobil war keine Spur zu sehen.
Kriegt den Kasten natürlich nicht in Gang! frohlockte Hackendahl bei sich. Der Geheimrat soll schon sehen, was zuverlässiger ist, ein anständiges Pferd oder solche Maschine, die immer gerade dann streikt, wenn sie am nötigsten gebraucht wird! Und er grinste, da er an den kurbelnden Chauffeur dachte.
In gutem Trab fuhren sie die Siegesallee entlang, freundlich standen die weißen Puppen im Grünen, viele sommerlich gekleidete Menschen waren unterwegs.
»Menge Leute unterwegs!« rief der Geheimrat.
»Das macht das gute Wetter«, antwortete Hackendahl.
»Und die Aufregung! Haben Sie auch schon von dem Mord in Serajevo gelesen, Hackendahl?«
»Jawohl, Herr Geheimrat. Glauben Sie, daß es Krieg gibt?«
»Krieg – wegen der Serben? Nie, Hackendahl! Sie sollen mal sehen, wie die kuschen! Wegen so was gibt es doch keinen Krieg!«
Noch in weiter Ferne tönte die Autohupe. Hackendahl hörte es, der Schimmel hatte es auch gehört, er spitzte kriegerisch die Ohren.
Hackendahl nahm die Zügel fester. »Ich glaube, da kommt Ihr Herr Sohn, Herr Geheimrat!« rief er nach hinten.
»Hat er also doch noch seinen Kasten in Gang gekriegt. Aber keine Wettfahrerei, wenn ich bitten darf, Hackendahl!«
Näher und näher tönte die Hupe, fast ununterbrochen klang ihr Schrei, Warnung und Alarm für alle Pferdeherzen. Für den Schimmel war es nur Alarm, er trabte straffer, warf den Kopf ungeduldig von rechts nach links, von unten nach oben …
Direkt hinter ihm ging der Gummiball: tut, tut, langsam schob sich der grüne Kasten neben die Droschke, erreichte den Kutschersitz, die Hinterhand des Pferdes, den Kopf …
Der Schimmel machte einen Satz in der Schere, dann schien die Droschke einen Augenblick stillzustehen, und nun raste der Gaul los …
»Sie sollen nicht …«, klang von hinten die Stimme des Geheimrates.
Das Automobil hielt sich genau neben dem Pferde, knatternd, hupend und stinkend. Obwohl Hackendahl immer nur starr geradeaus sah, immer über die Ohren des Pferdes weg, die Zügel fest in der Hand, nach allen Hindernissen ausspähend – trotzdem meinte Hackendahl das höhnische Gesicht des Chauffeurs zu sehen, dieses Verbrechers, der ihn »Genosse« angeredet hatte und der ihn ausstopfen lassen wollte! Kein Zeichen von Schwäche sollte dieser Bursche sehen – weiter, und dem Schimmel würde es schon leid werden!
Schon war die Siegessäule glücklich umrundet, da zeigte sich eine neue Gefahr in der Gestalt eines pickelhelmigen Schutzmannes. Die wilde Jagd, das galoppierende Pferd hattenseinen Unwillen erregt, in der einen Hand ein dickes Notizbuch, die andere hoch erhoben, trat er auf die Fahrbahn, Einhalt gebietend solch verkehrswidrigem Tun.
Er hatte gut gebieten, Hackendahl gehorchte jeder Obrigkeit, der Schimmel gehorchte nur dem Instinkt der Pferde, er raste weiter.
Der Schutzmann machte einen ganz unmilitärischen Schrecksatz zurück – und alles war vorüber. Weiterrasend wußte Hackendahl, er wurde aufgeschrieben, er bekam eine Strafe – er war vorbestraft!
Mit einem verzweifelten Ruck riß er den Kopf des Pferdes nach rechts in die stille
Weitere Kostenlose Bücher