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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Vorwärts gab, sondern nur ein unaufhaltsames Zurück. Was verschlug es denn, wenn er ein paar Fuhren machte für Niemeyer, ihm Hafer, Heu und Stroh ausfuhr – es verschlug gar nichts! Mutter stand doch mit leeren Händen da.
    Es war zum Lachen (da man ja nun einmal nicht weinen wollte), jetzt gab es genug Brot, und Butter dazu. Aber das Vier-Pfund-Brot kostete 20 000 Mark, und für das Pfund Butter hatte man 150 000 Mark auf den Ladentisch zu legen! So waren die Kerle, die jetzt das Regiment hatten: Erst nichts zu fressen und dann keinen Verdienst, sich was zu kaufen – solche Kerle waren das! Irgendwie machten sie’s immer falsch.
    Gustav Hackendahl, wenn er da bei seinem Rappen im Stall stand, grübelte hin und her, wie er es anders einrichten, ein bißchen mehr Geld verdienen könnte. Er schob den kalten Zigarrenstummelvon einem Mundwinkel in den anderen. Es war wirklich ein Jammer, wie Mutter aussah, die Kleider schlotterten um die Frau, als hätte man sie einer Bohnenstange zum Vögelscheuchen angezogen. Mutter mußte endlich mal wieder ein bißchen Speck auf die Rippen kriegen, es war ein Elend mit diesem Hungern! Im Kriege war gewissermaßen noch eine gewisse Ordnung in der Hungerei gewesen, da hatten alle gehungert (oder es hatte doch wenigstens so ausgesehen), man hatte gesetzlich geregelt auf Karten gehungert. Man hatte sich gewissermaßen mit seinem Hunger einrichten können.
    Aber jetzt wurde ganz regellos Kohldampf geschoben. In den Läden gab es Ware genug für den, der sie kaufen konnte. Das Volk aber lief an den glänzenden, an den überfüllten Läden vorbei, es sah lieber gar nicht erst hin, oder es sah auch gerade hin, rein aus Daffke – und dann fragte es sich, was es eigentlich ausgefressen hatte, daß es so hungern mußte. Mehr Sünden als die Fresser hatte es auch nicht auf dem Gewissen.
    Aber Fragen half nicht viel, und die Umzugfuhren der kleinen Leute mit einem geliehenen Plattenwagen halfen auch nichts. Man rackerte sich einen halben Tag ab, und wenn es ans Zahlen ging, dann hieß es: »Heute paßt es nu grade nicht so besonders. Aber am Freitag, wenn Maxe mit der Lohntüte kommt …«
    Ja, Hundedreck! Wenn das Geld wirklich am Freitag fiel, da war es gerade noch ein Paar Schnürsenkel oder eine Schrippe wert! Mutter sagte wohl: »Geh doch mal zu den Kindern, Justav! Die Sophie und der Erich haben bestimmt ihr gutes Auskommen. Sie werden ihre alten Eltern doch nicht verhungern lassen wollen!«
    Nein, darin war Gustav eisern, er ging nicht zu seinen Kindern, dann noch lieber auf die Wohlfahrt! Es war jetzt so, daß er richtig grinsen konnte, über sich, die Kinder und über die ganze Welt: Er, der ehemalige Wachtmeister von den Pasewalker Kürassieren, hatte fünf Kinder ohne Hungern großgekriegt. Aber diese Kinder, die alle mehr gelernt hatten als der Vater, kriegten zwei Eltern nicht satt! Darüber grinste er.
    »Det is der Lauf der Welt, Mutter«, sagte er. »Und daran will ick lieber nischt ändern. Manchmal seh ick ja Erichen mit seim Auto am Zoo vorbeibrausen. Nur, er sieht mir nich. Und is ooch richtig von ihm. Denn wat soll det heeßen – ick hab bloß ’nen ollen vermotteten Kutschermantel, und er hat ’nen schnaften See-aal-pelz oder wie die Dinger heeßen – det jehört nich zusammen, det hat Jott nich jewollt. Nee, Mutter, sei zufrieden, det wir unsere Ruhe haben. Janz verhungert sind wir ja immer noch nich, und so wird et schon weiterjehn. Und Heinz kommt ja noch immer …«
    Jawohl, Heinz kam immer. Er kam regelmäßig einmal die Woche zum Abendessen, weil da der Vater zu Hause war, und redete mit den Eltern. Meistens von den alten Zeiten. Und er brachte seinen eigenen Anteil am Essen mit, wie es sich in diesen Zeiten bei Besuchen gehörte. Und sein Anteil war stets so bemessen, daß Mutter noch ein ganzes Mittagessen davon machen konnte. Was man ihm um so höher anrechnen mußte, als es ihm bestimmt auch nicht üppig ging. Mutter sah mit Bekümmernis, daß Heinz noch immer denselben Mantel trug, mit dem er vor nun fast vier Jahren von ihnen gegangen war.
    Aber wenn sie ihn fragte, lachte er bloß. »Ich komm schon durch, Mutter, hab bloß keine Bange. Wir alten Leute halten es schon aus. Die Hauptsache, daß wir die Jungen großkriegen, Mutter.«
    »Daß du dich auch noch mit den Bengels von der Gudde abgibst, Heinz!«
    (Für Mutter blieb Ottos Frau immer die Gudde, obwohl sie ihr gewissermaßen doch einmal durch Übersendung von ein paar Bestecken verziehen hatte

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