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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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    »Das sind großartige Bengels, Mutter, die laß man! Ohne die machte mir das ganze Leben keinen Spaß. So weiß man doch, wofür man schuftet …«
    »Pst! Der Vater!« mahnte die Mutter.
    Aber mit dem Vater war das gar nicht mehr so schlimm. Er konnte schon gut ein Wort vertragen über die Bengel,seine Enkel. Ja, er konnte sogar schon ein Wort über sie reden, wenn es auch kein freundliches war.
    »Und wirklich hat keener’n Buckel, Heinz? Du sohlst, ick wette, du sohlst! Und wenn man ooch den Buckel von außen nich sieht, innen steckt er – da freß ick’n Besen druff!«
    »Dann freß man, Vater!« lächelte Heinz und erzählte geruhig weiter, die Mutter mochte mit den Augen plinken, soviel sie wollte.
    Er war überhaupt sehr ruhig geworden und schwer zu erschüttern, der junge Heinz Hackendahl. Zweiundzwanzig Jahre alt – aber besonnen und gesetzt wie ein Alter.
    »Ja, wie es mit dem Gelde wird, Vater, kann ich dir auch nicht sagen. Ich bin ja bloß ein kleiner Schreiber auf der Bank, wenn ich jetzt auch gottlob meine Lehrzeit hinter mir habe. Die Mark wird wohl weiter fallen und der Dollar weiter steigen, besonders jetzt, wo die Franzosen die Ruhr besetzen wollen …«
    Die Alten schwiegen beklommen. Schließlich fragte Vater Hackendahl: »Und von wat soll ick meinen Rappen füttern?«
    Heinz Hackendahl dachte eine Weile nach. Er verstand wohl, daß der Rappe nur für jemand anders genannt wurde, für zwei andere. Dann sagte er: »Ich werde dir das nächste Mal Bescheid sagen, Vater. Vielleicht finde ich was.«
    Beim nächsten Male aber traf er seinen Vater nicht an, und das war nicht so schlecht, denn er hatte für den Vater trotz aller Bemühungen nichts gefunden. Dafür hatte aber Vater selber was gefunden. Die Mutter war sehr bekümmert und in Sorge. »Du wirst sehen, Heinz, zum Schlusse kommt es bloß darauf raus, daß Vater wieder ins Saufen gerät, wie damals, als Otto gefallen war.«
    Aber Heinz war zuversichtlich. »Das ist ganz recht von Vater, daß er das macht! Du sollst sehen, Mutter, da verdient er was; und er paßt auch dafür! Und mit dem Saufen hab bloß keine Angst – Vater ist viel zu stolz, um je ein Säufer zu werden.«

2

    An einem guten Tag unter diesen schlimmen Tagen hatte Vater Hackendahl am Bahnhof Zoo einen langbeinigen Mann mit Pferdezähnen als Fahrgast gefunden, und dieser Mann, der die Füße sofort auf den Vordersitz der Droschke gepackt hatte, während er sich im Hintersitz rekelte, hatte vom eisernen Gustav verlangt, in der Stadt spazierengefahren zu werden. »Uie sagt Sie? Zewei Stunde, und um Zewölf an die Schlesische Bahnhof!«
    Eine Märchenfuhre, eine Glückslast – ein wahrer Inflationssegen, ein Engländer, nein, wie sich dann herausstellte, ein Amerikaner, der Berlin auf der Durchreise zu besehen wünschte. Nun, er besah sich unter Hackendahls Führung Berlin gründlich, das heißt, er probierte Berlins Bier, Wein und Schnaps, sehr gründlich. Und wenn er zu Anfang noch amerikanisch wortkarg in die Lokale gestolpert war: »Justa moment, please«, so hatte ihn, je mehr sie in das Zentrum vorstießen, je weiter sie nach dem Osten kamen, der Geselligkeitstrieb erfaßt, und Vater Hackendahl mußte ihn auf jeder Expedition begleiten, ging es nun in die »Traube«oder in eine Gerold-Stube.
    Ein toller Kerl mit einem schneeweißen Gesicht, das kein Alkohol färben konnte, mit einer Mähne feuerroter Haare darüber. Er hatte wohl drüben, in seinem trockengelegten Heimatlande, eine fast manische Vorliebe für Flaschen bekommen, nicht einmal für die kurzen Weiterfahrten in der Droschke mochte er ohne Flasche sein. Er steckte sie in seine Manteltaschen, er baute sie vor sich auf den Vordersitz, er betrachtete sie mit trunkenen, aber lächelnden Blicken und schüttelte sie zärtlich. Wenn sie dann gluckerten, lachte er.
    Es war eine Glücksfuhre, aber eine schwierige Fuhre – ein Segen, daß wenigstens der Rappe keinen Geschmack für Alkohol hatte (sie versuchten, ihn mit Kognak zu tränken, aber der Rappe verzichtete).
    Durch irgendein Wunder schaffte Hackendahl wirklichden Zwölfuhrzug auf dem Schlesischen Bahnhof. Aber der Amerikaner verlangte, daß »my friend Gustav« mit auf den Bahnsteig komme, und so wurden sie denn die Bahnhofstreppe hinaufgetragen, jeder von zwei Gepäckträgern, und sie waren gewaltig heiter und erheiterten noch gewaltiger.
    Am Zuge freilich kam der Trennungsschmerz, sie lagen einander in den Armen, unter dem Zug hervor holte ein

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