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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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– und die Herrentoilette hieß die Ritterburg, die Damentoilette aber die Tropfsteingrotte, was die Phantasie der Herren anregte und die Damen nicht aus dem Kichern kommen ließ. Und dann gab es alle halben Stunden eine Führung durch die Schreckenskammer, und dort konnte man die Klistierspritze bewundern, mit der Konrad der Hartleibige in der Schlacht am Popocatepetl seine Feinde auseinandergesprengt hatte. Und eine echte Krokodilsträne. Und das Nachtgeschirr der Äbtissin Fringilla. Und den Nürnberger Trichter. Und eine Locke vom Haupte Karls des Kahlen (Pferdehaar). Und das Lämpchen der sieben törichten Jungfrauen (Küchenlampe). Und dem Zuge der Zeit entsprechend, die gerne über die eigenen Niederlagen spottete, die fette, weiße Männerhand, die nicht verdorren wollte … Nicht zu reden von den erotischen Scherzen, die den Herren zu den neckischsten Bemerkungen Anlaß gaben. Denn es ist süß, die Maske des Wohlanstandes einmal fallen zu lassen und zu anderer Männer Frauen zu sprechen, als sei es die eigene …
    Derart also war das Lokal, in das an jenem Glücksnachmittag der eiserne Gustav hinabstolperte. Und wiederum hatte er Glück. Denn er traf den Wirt und Inhaber sogar an,den groben Gustav. Trotzdem das Lokal als ein Platz für angetrunkene Leute eigentlich ein Nachtlokal war.
    Die beiden Gustavs, der grobe und der eiserne, setzten sich zusammen an einen Tisch. Der eiserne erzählte von seinem Amerikaner und winkte sachte mit dem Zehndollarschein. Der grobe aber hatte das Nachmittagsweh der Gastwirte, die trübe Stimmung der blauen Stunde gewissermaßen, und kam ins Klagen über die mannigfaltige Schleuderkonkurrenz in Grobheit. Die Inflation legte Grobheitslokale durch die ganze Innenstadt wie ein fleißiges Legehuhn Eier, und jeder mittlere Grobian schien sich berufen zu fühlen, seinen Gästen grob zu kommen.
    Das war Wasser auf die Mühle Hackendahls. Aus einem gewöhnlichen Droschkenkutscher verwandelte er sich in den eisernen Gustav (von dem der grobe schon gehört zu haben meinte), und nicht lange, so reichten sich die beiden Gustavs die Hand über den Holztisch und besiegelten mit einem Händedruck ein aussichtsreiches Geschäft.
    Das Abkommen der beiden aber war derart, daß der eiserne Gustav von abends bis in die Nacht an dem großen runden Tisch gleich am Eingang sitzen sollte, mit einer Molle und einem Korn, als richtiger Droschkenkutscher, mit Kutschermantel, Lackpott und Peitsche. Die Rolle als verbitterter, aus der Mode gekommener Droschkenkutscher sollte seine Rolle sein; er hatte den Gästen, die mit Autos ankamen, grob zu kommen wegen ihrer Autos, hatte sie zum Trinken zu bringen, sie zu unterhalten – kurz, er hatte ihrem stets etwas lahm geratenen Vergnügungsvermögen mit echt Berliner Humor auf die Beine zu helfen.
    Dafür sollte Gustav Hackendahl sein Trinken frei haben (aber in aller Mäßigkeit) und zwei kräftige Mahlzeiten bekommen, eine, wenn er kam, eine, ehe er ging. Und von allem, was die Gäste an seinem großen runden Tisch verzehrten, sollte er zehn Prozent der Zeche bekommen. So besprochen zwischen dem groben und dem eisernen Gustav und durch Handschlag besiegelt.
    Vor zehn Jahren noch, vor fünf Jahren noch hätte der eiserne Gustav verächtlich gelacht, hätte ihm einer angeboten, den Hanswurst betrunkener Gäste abzugeben – nun hatte er sich selber angeboten. Hackendahl hatte den Krieg erlebt; das Militär, das sein Stolz gewesen war, war nicht mehr; das Kaisertum, das seinen Halt abgegeben hatte, war kläglich zusammengebrochen; aus allen seinen fünf Kindern war nichts geworden, auf das er besonders stolz sein mußte.
    Der eiserne Gustav hätte zusammenbrechen können. Oder noch härter werden. Er hatte etwas anderes getan: Er hatte zu lachen angefangen. Es war eine Zeitkrankheit. Vor dem Kriege hatte man den Menschen eingeredet (und sie hatten es geglaubt), daß der Mensch gut, hilfreich, edel, gläubig, fleißig, pflichttreu sei (und zu sein habe). Jetzt sagten sie: Der Mensch ist schlecht, mörderisch, verlogen, schweinisch, faul, gemein – und sie glaubten es wieder. Sie waren noch stolz darauf. Es machte ihnen Laune – freilich eine Katzenjammerlaune, ein Grinsen, als hätten sie Essig getrunken, eine Weltuntergangslaune (und der älteren Generation war ja tatsächlich ihre Welt untergegangen).
    So sah sich Gustav Hackendahl auch gar nicht als der bezahlte Spaßmacher der anderen, nein, er wollte seinen Spaß an den Gästen haben. Er wollte sie in

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