Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
ansohlen und neppen!« rief Erich. »Und wenn ich bloß so was höre von fünf hungernden Geschwistern …«
    »Aber es gibt hungernde Kinder«, sagte der Anwalt begütigend. »Sogar ziemlich viele. Ich weiß das, ich habe neulich eine Statistik darüber lesen müssen …«
    »Dickerchen«, sagte das Mädchen zum Anwalt und schmiegte sich an ihn. »Sei einmal ehrlich, tanze ich sehr schlecht?«
    »Warum willst du das denn wissen?«
    »Ich möchte es eben wissen. Die Herren sagen mir allenich die Wahrheit, weil ich nackich bin. Und der Krukow, das is der, der mir den Tanz gelernt hat …«
    »Gelehrt, gelehrt, meine Süße!«
    »Das sage ich ja – so doof! Der sagt, ick tanze wie’ne besoffene Kuh …«
    »Na also, Kindchen«, entschloß sich der Anwalt. »Wenn du es wirklich wissen willst: Du hast einen hübschen Körper und bist jung und nackt. Wenn du ein Kleid anhättest, würde kein Mann den Kopf nach deiner Tanzerei drehen.«
    »Na also!« rief das Mädchen sehr zufrieden. »Det hab ick mir doch immer jedacht! Hier sind welche, die quasseln mir dusslich, ick soll Tänzerin werden, und ick soll mir ausbilden lassen, auf ihre Kosten, als ihre Freundin, versteht sich. Aber ick habe schon immer jedacht: So doof, die wollen dir nur in Detwat ausbilden – und sonst Neese! Nee, denn lieber noch das nackige Gehopse, und sobald det wieder funkt mit an– ständijem Jeld, rin in irgendeen Jeschäft! Ick bin früher beim Schlachter jewesen, un denn ’nen anständijen Mann jeheiratet, nich immer so’ne Lebejreise wie hier!«
    »Verdammt noch mal!« fing Erich an, kam aber gottlob nicht mehr dazu, auseinanderzusetzen, was er über eine solche Gegenleistung für sein gutes Geld dachte.
    Denn das Lokal verlangte stürmisch nach seinem nackten Mädchen. Die Herren, die schon müde wurden vom vielen Alkohol, wollten wieder ein bißchen Pfeffer für ihre Stimmung. Und die Damen widersprachen nicht, denn angeregte Herren sind zahlungswilliger als schläfrige. Es ging auch alles ganz schnell. Die Tänzerin hatte keine weiteren Schwierigkeiten mit ihrem Kostüm, der Primgeiger hatte Schmalz genug in seiner Geige und: »Es ist doch komisch«, sagte Erich halb widerwillig. »Ich weiß doch nun, was das für eine langweilige Gans ist … Aber sobald sie da im vollen Licht vor aller Augen nackt herumhopst, und alle starren sie so hingerissen an, finde ich sie doch wieder ganz nett …«
    »Eine alte Sache«, meinte der Anwalt gähnend. »Was dieanderen hübsch finden, finden wir auch hübsch. Und was die anderen haben wollen, möchten wir durchaus für uns. – Übrigens, Erich, was ich dich schon den ganzen Abend fragen wollte: Ist dir der Name Eugen Bast ein Begriff …?«
    »Nee, ich glaube nicht«, sagte Erich zögernd. »Aber ich habe freilich mit so viel Leuten geschäftlich zu tun …«Und mit leiser Besorgnis: »Ist das jemand, der reingerasselt ist, und ich habe mit ihm zu tun?«
    »Reingerasselt ist er!« bestätigte der Anwalt. »Und er möchte gerne, daß ich seine Verteidigung übernehme. Und mit dir zu tun hat er auch …«
    »Na, nun sagen Sie doch schon!« rief Erich gereizt. »Was soll denn diese Geheimnistuerei?! Eugen Bast – keine Ahnung! Oder war das der mit der Seide aus Italien? Nein, der hieß Becker. – Übrigens rechne ich bestimmt darauf, daß Sie meine Verteidigung übernehmen, wenn wirklich mal was nicht klappt.«
    »Erich! Erich!« sagte der Anwalt seufzend. »Und du hast mir immer geschworen, alle deine Geschäfte seien in Ordnung. Als ich dich 1914 kennenlernte, habe ich wirklich geglaubt, es würde etwas anderes aus dir werden als ein Schieber!«
    »Jawohl«, rief Erich wütend. »Sie haben geglaubt, ich würde Ihrer dusseligen Sozialdemokratie auf den Leim kriechen! So dumm! Sie sind ja selber heute soviel Sozialdemokrat – wie … wie …«
    »Sagen wir wie Wilhelm der Zweite«, ergänzte der Anwalt. »Der hatte auch immer eine hoffnungslose und unerwiderte Liebe für die Sozialdemokraten. – Nun, reden wir nicht davon. Wir sind leider beide ein wenig anders geworden, als wir gedacht haben. Solange man in der Opposition ist, scheint alles leicht, aber wenn man erst …«
    »Ich will endlich wissen, wer Eugen Bast ist!«
    »Eugen Bast«, sagte der Anwalt bereitwillig, »ist ein drei-oder viermal mit Gefängnis und Zuchthaus vorbestrafter junger Mann, der sich zur Zeit unter der Beschuldigung des Bandendiebstahls, des Einbruchdiebstahls, der Erpressung,der Zuhälterei und einiger Kleinigkeiten

Weitere Kostenlose Bücher