Der eiserne Gustav
belastet wird, er als der Verführte, sie als die Anstifterin erscheint, er wenig, sie hoch bestraft wird.«
»Das liegt doch in Ihrer Hand!« rief Erich ärgerlich. »Wenn Eva ihm hörig ist, kann man sie kaum verantwortlich machen.«
»Eben«, sagte der Anwalt lächelnd. »Dann aber wird Herr Eugen Bast auspacken, deine ganze Familie hineinziehen, dich vor allem durch die Verhandlung schleppen, so daß …«
»So daß, wenn wir Ruhe haben wollen, Eva hoch bestraft werden muß?«
»Richtig, mein Sohn Erich.«
»Etwas wie eine kleine Erpressung?«
»Du verstehst ausgezeichnet, Erich.«
»Wünscht Herr Bast vielleicht auch die Übernahme Ihres Honorars durch mich?«
»Herrn Bast ist bekannt, daß wir befreundet sind und daß du viel Geld verdienst. Wie gesagt: rundum ein Schuft!«
Der Anwalt sah Erich lächelnd an. Erich schwieg verdrossen, er trieb mit einem Strohhalm die Kohlensäure aus seinem Sekt, brannte sich eine Zigarette an – und schwieg.
»Nun …?« fragte der Anwalt schließlich geduldig.
»Ja so!« sagte Erich zusammenfahrend.
Er antwortete aber noch nicht, sondern sah nach demMittelgang, wo die kleine Nackte jetzt kindisch mit einem Teddybär dalberte.
»Sie sieht wirklich sehr nett aus«, meinte er schließlich mißvergnügt.
»Richtig«, sprach der Anwalt. »Der seltene Fall, daß eine Sache einmal nackt netter aussieht als bekleidet. – Und wie denkst du dir die Regelung unserer Sache?«
»Ach, machen Sie das ganz … Sie wissen doch schon, Herr Doktor …«
»Ich darf also mit einem bekannten Romantitel sagen: ›Arme kleine Eva‹?«
»Jeder ist sich selbst der Nächste.«
»Versteht sich!« stimmte der Anwalt bei.
»Und da sie selbst es so will …«
»Richtig, ganz richtig!«
»Sechs Jahre Zuchthaus – vielleicht rufen die doch eine Änderung bei ihr hervor?«
»Unzweifelhaft – zum Schlimmeren!«
»Warum spotten Sie?!« rief Erich wütend. »Sie haben mir den ganzen Abend verdorben! Ich war glänzender Stimmung! Was geht mich meine Schwester mit ihrem Luden an! Ich will vorwärtskommen … Ich will nicht, daß man hier in Berlin hinter meinem Rücken zwinkert und flüstert! Ich will nicht durch die Drecksblätter geschleppt werden! Ich bin nicht verantwortlich für meine Schwester!«
»Gewiß!« stimmte der Anwalt höflich zu. »Ich erinnere mich, daß der alte Jehova einmal eine ähnliche Antwort von Kain bekam, als er Abel suchte.«
»Ich habe meine Schwester nicht erschlagen!« rief Erich wütend. »Soll die zehn Jahre ins Zuchthaus kommen! Zwanzig! Das wird ihr nur guttun, und man wird Ruhe vor ihr haben!«
»Schön, schön«, sagte der Anwalt. »Ich habe jetzt eine klare Marschorder – und habe dich noch viel besser kennengelernt, lieber Erich! Im übrigen schlage ich vor«, sagte er, als Erich schon wieder zornig losbrechen wollte, »daß wirunser Lokal wechseln. Ich weiß hier ganz in der Nähe etwas, wohin ich manchmal studienhalber gehe. – Ober, bitte zahlen!«
7
Es schneite bei schwachem Frost sachte, als die beiden auf die Straße traten.
»Nein, kein Auto«, sagte der Anwalt. »Es sind nur ein paar Schritte. Die frische Luft wird uns guttun. Wir haben beide viel zuviel getrunken!«
»Ich kann noch ganz gut gradegehen«, sagte Erich trotzig.
Aber der Anwalt antwortete nicht, und so gingen die beiden schweigend nebeneinanderher, jeder mit seinen trüben, vom Alkohol gereizten Wünschen beschäftigt. Über die Eisenbogen der Bülowstraße glitt nur noch selten ein Hochbahnzug, sonst war alles still. Kaum brannte noch in einem Fenster der grauen, toten Häuser Licht …
Plötzlich blieb Erich stehen, überraschend faßte er den Anwalt vorn an der Brust und fragte zornig: »Warum reizen Sie mich eigentlich so?! Warum zwingen Sie mich immer wieder, mich vor Ihnen nackt auszuziehen?! Manchmal denke ich, Sie sind nie mein Freund gewesen … Sie haben mich auf diesen Weg gebracht, erinnern Sie sich noch an mein Zimmer in Lille …? Zu jeder neuen Schamlosigkeit haben Sie mich ermutigt! – Warum? frage ich mich. Warum? Warum haben Sie mich eben so lange gepeinigt, bis ich es Ihnen ins Gesicht gesagt habe, daß ich aus reiner Selbstsucht will, daß meine Schwester möglichst hoch bestraft wird?! Sie hatten es doch schon vorher verstanden! Ist das Freundschaft, oder sind Sie mein Feind …?!«
Er hatte immer leiser, doch stets erregter gesprochen und hielt den Anwalt noch immer an der Brust gepackt, als wolle er mit ihm kämpfen. Jetzt löste der die
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