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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Abgeordneten verdirbt es niemand gern.«
    »Die erste Chance«, sagte Erich eifrig, »ist weggefallen. Es ist keine Jalousie vor der Tür. Und die zweite ist klein geworden. Ein Posten hätte schon den Lichtschein durch den Türspalt sehen müssen …«
    »Er kann mit dem Gesicht zur Straße stehen! Nun, jedenfallsversuchen wir unser Glück. Denke daran, es geht eine Kellertreppe hinauf, sechs, sieben Stufen. Und wenn wir getrennt werden sollten, Erich – nimm nicht Rücksicht auf mich und mein faules Fett. Jeder für sich allein und Gott für uns alle!«
    Sie saßen still und beobachteten das Lokal, den günstigsten Zeitpunkt abzuwarten. Einmal griff Erich nach dem Sektglas, aber der Freund legte ruhig die Hand über die seine und sagte: »Jetzt besser nicht.«
    Dann, ein wenig später: »Ich glaube, wir gehen jetzt, Erich. Geh du voran.«
    Ohne Eile öffnete er die Tür. Erich sprang in das Dunkel, die Kellerstufen hinauf. Die Straße war voller Menschen, einige Gesichter wandten sich ihm zu …, aber er sah keine Uniform.
    Langsam kam der Anwalt die Treppe hinauf. Er hängte sich bei Erich ein. »Sie können uns nicht sofort nach, ich habe die Tür von außen abgeschlossen. So, und nun wollen wir sehen, daß wir rasch eine Taxe kriegen. Unser sommerliches Kostüm erregt Aufsehen.«

6

    Als sie im Auto saßen, brachen beide in ein schallendes Gelächter aus. Beide hatten das Gefühl von Schülern, die ihren Lehrer überaus listig hereingelegt haben.
    »Nein, nein!« rief der Abgeordnete schließlich. »Wenn wir erst wieder am Ruder sind, muß ich doch mit dem Genossen Severing ein ernstes Wort über die Maßnahmen seiner Polizei reden. Den Posten auf der Straße zu vergessen! – Jetzt verstehe ich auch, warum unsere feindlichen Brüder, die Kommunisten, immer so auf die Polizei schimpfen!«
    Erich lachte aus einem anderen Grunde. »Und zu denken, daß ich nicht einmal den Sekt bezahlt habe! Die haben doch in der Aufregung ganz vergessen zu kassieren! Zwanzig Flaschen Sekt oder dreißig, weiß es der Geier! Und dann der Mokka!«
    Er konnte gar nicht zur Ruhe kommen, so sehr freute ihn die ungewollte Zechprellerei …
    »Bei Mokka fällt mir ein …«, sagte der Abgeordnete. »Ich denke, wir gehen jetzt zu mir und trinken in aller Gemütlichkeit einen und plaudern. Ich habe sowieso noch etwas mit dir zu besprechen …«
    »Daraus kann nichts werden, Herr Doktor! Jetzt ist mir weder nach Mokka noch nach Besprechungen zumute! Ich will ausgehen, nun grade! Verbieten lasse ich mir nichts …«
    »Ich möchte aber wirklich nicht noch einmal …«, begann der Anwalt.
    »Ach, machen Sie doch keine Geschichten, Sie sollen sehen, wie fidel wir noch werden!« unterbrach ihn Erich. Und wieder begann er zu lachen. Nach der glücklich bestandenen doppelten Gefahr erfüllte ihn eine lärmende, rechthaberische Lustigkeit. Es war klar, daß er ein Sohn des Glücks war – in allen Lagen blieb es ihm treu.
    Der Anwalt hatte unterdes mit dem Chauffeur beraten und sagte nun: »Wenn du also durchaus willst, Erich …«
    »Natürlich will ich!« rief Erich. »Heute nacht gehe ich überhaupt nicht schlafen! Nun grade nicht!«
    »Also schön!« entschied der Anwalt. »Der Fahrer meint, im alten Westen haben noch eine ganze Menge Lokale auf. Die Wirte stehen sich dort besonders gut mit der Polizei, du verstehst.« Und er machte die Bewegung des Geldzählens. Er seufzte erheitert und resigniert: »Zustände haben wir bei uns, mein Junge, Zustände …!«
    »Im Grunde«, sagte Erich lachend, »gefallen Ihnen diese Zustände nicht schlecht, Herr Doktor! In Wirklichkeit schaudern Sie vor Entbehrungen und finden das Leben so, wie Sie es führen, ganz nett!«
    »Es ist etwas Wahres daran«, gab der Abgeordnete behaglich seufzend zu. »Nun, gehen wir jetzt rauf zu mir, Erich. Wir wollen sehen, ob wir etwas Passendes für dich finden …«
    Gemeinsam gingen sie in die Wohnung des Anwalts, undhier wurden unter vielem, eigentlich recht unbegründetem Lachen Mäntel und Hüte für Erich probiert.
    Aber es wurden nicht nur Mäntel probiert, sondern auch Schnäpschen. Und diese Schnäpse hatten es wohl gemacht, daß Erich etwas ungewöhnlich gekleidet mit dem Anwalt wieder die Treppe hinunterstieg: Er trug einen zwar kurzen, aber viel zu weiten Sportpelz des Freundes. Dazu einen steifen schwarzen Hut, den er, da auch viel zu weit, tief in den Nacken gesetzt hatte.
    Dann fuhren sie durch die nächtlichen Straßen aus der hellen Innenstadt in dunklere

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