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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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klammernden Hände vonsich ab, rückte den Mantel zurecht und sagte friedlich: »Du hast wirklich zu viel getrunken. Gehen wir doch weiter …«
    Wütend wollte Erich widersprechen und zwang sich, denn der Anwalt sagte: »Es sind nur noch ein paar Schritte. Es ist wirklich ein ganz nettes Lokal. Ich weiß nicht, Erich, ob du derart Lokale schon kennst. Wie gesagt, ich gehe manchmal dahin, öfter. Ich habe auch meine kleinen Liebhabereien …« Er lächelte dünn. »Du hast mich eben an dein Zimmer in Lille erinnert … Doch ja, ich weiß noch alles, du warst ein ganz frischgebackener Leutnant und trugst seidene Oberhemden … Gott, wie lange das her ist! Ja, es ist ein Homosexuellenlokal, in das wir gehen …«
    »Ich gehe in kein schwules Lokal!« sagte Erich fast schreiend, »ich bin nicht homo…«
    Der Anwalt antwortete erst einmal nicht; er war damit beschäftigt, ein Lied zu summen, das zur Zeit durch ganz Berlin lief: »Wir, Gott sei Dank, sind anders als die anderen.« Er summte es recht stolz und triumphierend.
    »Was nun dich betrifft, mein lieber Erich«, sagte er dann sanft, »so bist du einerseits ein Experiment von mir, andererseits eine Hoffnung. Als Hoffnung – nun, du wirst zugeben, daß ich viele Male väterlich für dich gesorgt habe. Daß du dies angenehme und sorgenlose Leben, das du jetzt führst, in erster Linie meinen Bemühungen verdankst …«
    Der Anwalt redete ölig und sanft daher. Eine rasende Wut erfüllte Erich, und doch hielt ihn etwas zurück, dieser Wut nachzugeben; er wollte erst hören, ob der Anwalt sich wirklich einbildete, daß er, Erich – nein, unmöglich!
    Der Ältere sagte bekümmert: »Du hast mir in deiner augenblicklichen Gereiztheit vorgeworfen, ich hätte dich auf diesen Weg verlockt, woraus zu schließen wäre, daß er dir nicht gefällt. Aber, lieber Erich, ich muß doch sagen, bisher hast du diesen Weg eigentlich immer recht angenehm gefunden. Ja, es ist noch keine halbe Stunde her, daß du mir Vorschläge für eine Markspekulation in Brüssel gemacht hast, die doch sehrdanach aussahen, als wünschtest du, weiterzugehen auf diesem verruchten Wege …«
    Der Anwalt! dachte Erich erbittert. Der verdammte Rechtsverdreher! Aus allem dreht er einen Strick …
    »Nun«, fuhr der Freund immer sanfter und bekümmerter fort, »ich sage ja nicht nein! Man wird darüber sprechen, es wird sich auch ein Weg finden lassen, auf dem ich dich rasch genug in die hiesigen Absichten einweihe. Denn die Mark wird zwar fallen, sehr tief fallen, aber eines Tages wird sie zu fallen aufhören. Dieser Tag könnte ein düsterer Tag für dich werden ohne mich, mein Erich …«
    Der Anwalt blieb schnaufend stehen. Der Schnee behinderte seinen Gang, seinen Blick. Er nahm die Brille von der Nase, trocknete sie sorgfältig und sagte, langsamer weitergehend: »Aber ein so kluger und so – selbstsüchtiger Mann wie du, Erich, wird nicht daran zweifeln, daß auch andere selbstsüchtig sind. Zum Beispiel ich. Du wirst eine Rechnung begleichen müssen; ich habe recht lange damit gewartet, das wirst du zugeben, und ich zweifle nicht, daß du prompt zahlen wirst …«
    »Ich habe Ihnen schon gesagt«, antwortete Erich Hackendahl mürrisch, »daß ich Sie an dem Markgeschäft beteiligen will. Sonst …«
    »Du bist ein Affe, Erich!« sagte der Anwalt friedlich. »Ich verdiene auch ohne dich mehr Geld, als den Genossen lieb ist. – Nein, die Rechnung … Ich habe dir schon gesagt, wohin wir gehen …«
    »Ich bin nicht homo…«, wiederholte Erich hartnäckig.
    »Es kommt manchmal vor, habe ich gehört, daß man eine Rechnung nicht grade gerne bezahlt«, lächelte der Anwalt. »Trotzdem bezahlt man sie – unlustig. Unlustig.«
    Er lächelte wieder und sah Erich durch seine runden Brillengläser aufmerksam an. Dann: »Du bist ein Experiment, ich sagte es schon. Mein Experiment. Als ich dich kennenlernte, du erinnerst dich doch noch, du hattest bei Vater und Schwester eigenmächtige Anleihen gemacht …«
    »Ich will von diesem Dreck nichts mehr hören!« schrie Erich fast. »Ich habe alles zurückgezahlt!«
    »Von meinem Gelde, richtig. Wie ich es sage. Du standest auf der Kippe, aber es schien mir ein Feuer in dir zu brennen – in mir war es damals schon im Erlöschen –, ein Glaube an dich, an die anderen, an das Gute, was weiß ich, und ich liebte dich wegen dieses Feuers …«
    »Ich sollte der SPD beitreten, was?!« höhnte Erich wütend. »Sie glaubten schon nicht mehr an die Partei, sondern

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