Der eiserne Gustav
hatten von Güte und Liebe, war erlogen. Schlecht mußte man sein in dieser Welt – und nur diese Welt gab es! Die Schlechten kamen voran, die Guten gingen zugrunde. Also war das Schlechte das eigentlich Gute, und nur die Bonzen und die dicken Geldsäcke hatten für das dumme Volk den Satz erfunden, daß man gut sein müsse: auf daß es ihnen lange schlecht gehe auf Erden!
Triumphierend sah er den väterlichen Freund an. Er stieß die Hand vom Munde weg und rief: »Schlecht muß man sein – das ist das Geheimnis!«
»Nur schlecht reicht auch nicht«, lächelte der andere. »Die Zuchthäuser sind voll von Leuten, die an diesen Satz geglaubt haben. Man muß auch klug sein, Erich!« Ohne sich umzusehen, deutete er mit dem Kopf nach der Hintertür. »Da – die Zauberwirkungen deines wirklich ziemlich geschmacklosen Sanges!«
Langsam drehte Erich den Kopf. Er sah nach der Tür – nach der Tür, durch die der Vater fortgegangen war. Jetzt stand dort Polizei. Bleich, untertänig verbeugte sich der gar nicht mehr grobe Gustav vor denen.
Was hat die Polizei hier zu tun? fing es langsam in Erich zu denken an. Die Polizei kann mir gar nichts wollen … Mir wird die Polizei nie was wollen können, ich bin ihnen zu schlau. Schlecht und schlau, ganz wie er gesagt hat …
»Trink mal den Mokka«, sagte der Anwalt, und Erich trank ihn. Die anderen Tischgenossen standen abseits. Sie sahen einmal nach der Polizei hin, einmal nach Erich und seinem Freunde …
»Mit seinem verdammten Gegröle hat er uns das angerichtet«, hörte er Bronte sagen.
»Wenn man es überlegt«, meinte ein anderer, »grade als Abgeordneter, am Trauertag …«
»Natürlich – wir sind schließlich nur Privatleute …«
»Die Freunde in der Not …«, lächelte der Abgeordnete. »Immerhin wäre es mir wirklich peinlich, diesen uniformierten Herren meinen Ausweis zeigen zu müssen. Trotz all unserer Bemühungen ist die Polizei noch immer von Reaktion durchsetzt … Ich könnte mich morgen im ›Lokal-Anzeiger‹ wiederfinden …«
»Ich könnte mich ohrfeigen!« rief Erich. »Ich bin ja so dämlich gewesen, ich verstehe mich selbst nicht mehr …«
Es sind nur drei Mann, überlegte der Abgeordnete und musterte die Lage. Einer hat die Tür zum Ausgang zu bewachen, einer die Toiletten … Nur einer sieht die Papiere der Gäste durch und schreibt auf. Es geht langsam, wir kommen zuletzt dran, wir haben Zeit …
Erich überlegte, was er alles geredet, er wußte es nicht mehr. Hatte er vor dem ganzen Lokal ein Differenzgeschäft mit Bronte abgeschlossen?
Habe ich …? wollte er den Anwalt fragen.
Aber der achtete nicht auf ihn. »Man könnte es versuchen«, murmelte er. Dann: »Höre einmal, Erich, mein kluger Sohn. Kannst du dich vielleicht erinnern, ob in deinem Mantel oder Hut irgend etwas ist, Briefe, Schneidermarke, was eindeutig auf dich hinweist?«
»Nein, ich glaube nicht«, sagte Erich nachdenklich.
»In diesem Falle könnten wir nämlich versuchen, unter Preisgabe von Mantel und Hut auszureißen, zu türmen, sagt meine Kundschaft.«
»Es ist nichts im Mantel oder Hut, nur die Schneidermarke. Und meinem Schneider kann ich morgen früh einen Wink geben …«
»Also gut, versuchen wir es. Beobachte jetzt das Lokal. Sage mir vor allem, was die Polizei tut …«
»Bronte redet grade auf den beim Eingang ein, der an der Toilette hält einen Betrunkenen fest …«
»Schön – schön«, sagte die gleichmütige, freundliche, sanfte Stimme. Leise knackte ein Schlüssel im Schloß. »Unser Tisch steht ja direkt an der Tür zur Straße«, erklärte der Anwalt. »Der Wirt hat den Schlüssel um zehn einfach im Schloß umgedreht. Eben habe ich wieder aufgeschlossen. Bitte schildere mir die Lage im Lokal. Unterhalte dich mit mir …«
»Es wird eine Rolljalousie vor der Tür sein«, meinte Erich. »Das Lokal ist mit sich beschäftigt, sie achten nicht auf uns.«
»Das ist die eine Chance gegen uns«, gab der Anwalt zu und arbeitete, scheinbar behaglich auf seinem Holzstuhl sitzend, hinter Erichs Rücken an der Tür. Ein kalter Luftzug strich gegen Erichs Fuß.
»Die zweite Chance gegen uns ist, daß ein Posten vor der Tür steht. Die dritte Chance gegen uns ist, daß wir auf der Straße sofort festgenommen werden, weil wir in der Kälte ohne Mantel und Hut sind. Die vierte Chance gegen uns ist, daß wir fortkommen und Bronte oder ein andrer verrät uns. Aber nein, diese Chance ist klein, sie werden nur eine Geldstrafe bekommen, und mit einem
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