Der eiserne Gustav
nutzten sie nur aus, aber ich sollte der Dumme sein, wie?«
»Ich gab dir alle Chancen«, fuhr der Anwalt unbeirrt fort, »dich, sagen wir, auf die hellere Seite hinüberzuretten. Aber unaufhaltsam drängtest du nach der dunklen.«
»Drängten Sie mich …!«
»Doch nicht, Erich. Wer hat sich aus dem Schützengraben gleich in die Etappe verkrochen?«
»Und wer hat mich in Lille dahin gebracht, ein wenig – Miesmacherei zu treiben …?!«
»Richtig! Als ich dann sah, daß gar kein Feuer in dir brannte, sondern nur ein Trieb zu Faulheit und fauler Geschäftemacherei und faulem Genuß, da habe ich sehen wollen, wie weit du gehen würdest. Ob wenigstens irgendeine Ecke in dir wäre, die noch etwas taugte, ein Winkel, dir selbst unbekannt … Eine kleine Hoffnung …«
»Adieu, Herr Doktor!« sagte Erich, aber er ging nicht.
»Ich habe mich hochgekrebst in der Partei«, sagte der Anwalt nachdenklich, ohne auf ihn zu achten. »Ich habe noch die schweren Jahre mitgemacht, als es ein Verbrechen war, Sozialdemokrat zu sein. Wir sind ganz hübsch verfolgt worden, damals, aber das hat uns nicht beirrt. Damals habe ich noch an das Gute im Menschen geglaubt, an eine bessere Zukunft, daß es vorwärtsginge, langsam vorwärts mit der menschlichen Gesellschaft …«
»Für solch einen Schwärmer sind Sie ganz hübsch fett geworden, Herr Doktor!« schimpfte Erich höhnisch.
»Ach, Erich, was bist du doch für ein Dummkopf! Für einenso schlauen Kerl, wie du bist, bist du wirklich zu dumm. Davon erzähle ich dir ja grade, von meinem Fettwerden, von dem Verlust meiner Illusionen«, davon, daß ich heute nur noch glaube: Der Mensch ist schlecht. Du warst mein letzter Versuch, mein letztes Fünkchen Glaube. Aber leider, mein Erich, bist du ein völliger Versager gewesen, von der ersten Stunde an.« Der Anwalt seufzte. »Wenn ein Schuldner«, sagte er dann fast geschäftsmäßig, »nicht in bar zahlen kann, so hält man sich an die, wie wir Juristen sagen, an die Sachwerte …« Er schwieg.
Erich sah ihn an, düster schweigend, die Zähne scharf auf die Unterlippe gesetzt. Sie standen vor einem Cafe, einem dunklen Cafe; aber es war doch wohl ihr Ziel, der Anwalt ging nicht weiter.
»Du mußt zugeben«, begann er wieder, dem Schweigenden sanft zuredend, »daß ich dich sehr lange geschont habe, verschont mit meinen Wünschen. Es gab ja immerhin noch die leise Möglichkeit, daß irgend etwas – Anständiges in dir steckte. Eine sehr entfernte Möglichkeit. Aber seit heute abend … Sieh es ein, Erich, was kann es dir schon ausmachen? Du kannst mir auch einmal einen Gefallen tun …«
Erich sah gespannt in das Gesicht, das jetzt bittend aussah, bittend und schwammig. Plötzlich sagte er feindlich: »Ihre Backen wackeln ja, Herr Doktor! Sind Sie wirklich so aufgeregt …? Glauben Sie wirklich, daß ich das tue …?«
Der Anwalt schien nichts gehört zu haben. Er sagte ungerührt: »Ich nehme dir deine Schwester ab und diesen Lumpen Bast. Du wirst deine Ruhe haben, eine sehr lange Zeit. Ich mache dich zu einem reichen Mann, Erich, es ist wirklich nur eine Kleinigkeit, ein Vorurteil … Komm, Erich!«
Und er hängte sich bei ihm ein, wollte ihn zum Café ziehen, streichelte fieberhaft seine Hand. »Erich, bitte … einmal! Ich habe so lange gewartet …«
»Lassen Sie mich los!« schrie Erich und machte sich frei vom Anwalt. »Fassen Sie mich nicht an! Das möchten Siewohl, mich auch da noch bedrecken!« Er sah ihn voll Haß an. »Ich werde es nie tun, nie!«
Aber für den andern galt das alles nicht. Er sah nur die Beute, die Beute, die sich ihm entziehen wollte, auf die er so lange gewartet. »Erich!« rief er und faßte nach seiner Hand, klammerte sich an sie, hielt sie fest, Erich mochte reißen, so stark er konnte. Und nun bückte er sich, wollte seine Lippen auf diese Hand pressen, Erich fühlte sie schon …
Einen Augenblick zögerte er. Dann überwand er die Hemmung und gab dem Anwalt einen starken Schlag auf den gesenkten Kopf. Der wankte, wollte sich halten – aber nun fiel der starke Mann rücklings auf das Pflaster, in den Schnee, mit einem kläglichen Aufstöhnen …
Warum gehe ich nicht? dachte Erich und starrte auf den Liegenden. Das hätte ich nicht tun sollen, ich bin betrunken … Er kann mir schrecklich schaden … Nun ist es zu spät … Ich gehe lieber …
Und blieb doch stehen, starrte auf den Liegenden.
Der bewegte sich, richtete sich stöhnend halb auf, sah um sich.
»Du, Erich?« fragte er. »Bin
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