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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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klares Gesicht. Auch seine Art zu sprechen war Otto angenehm.
    »Ich denke, Herr Leutnant«, antwortete er, »daß es ganz gut wäre, wenn der Graben da heute keinen Dunst kriegte.«
    »Ich glaube nicht, daß es heute hier viel geben wird«, meinte der Leutnant. »Erst einmal haben beide von der Nacht die Nase voll.« Er sah den Unteroffizier an und fragte dann plötzlich viel lebhafter: »Ist Ihnen auch so verdammt kalt?«
    »Elend!« sagte der Unteroffizier. »Meine Stiefel sind sauschlecht, ich habe seit Wochen keine trockenen Füße mehr gehabt.«
    »Meine Füße sind auch Eis, trotzdem ich heile Stiefel habe«, sagte der Leutnant. »Haben Sie eigentlich was zu trinken da, Unteroffizier?«
    »Doch, Herr Leutnant. Meine Feldflasche ist noch gut halb voll Kirschwasser. Aber ich habe gemeint, wir sparen es uns lieber für später auf – vor Nacht kommen wir hier doch nicht weg. Da ist eine kleine Auffrischung ganz gut.«
    »Vor Nacht!« sagte der Leutnant. »Sie haben doch gesehen, wie hell der Mond ist. Und dann die verdammten Leuchtkugeln! Es ist noch gar nicht gesagt, daß wir heute nacht schon wegkommen!«
    »Eigentlich sieht es nach Schnee aus«, meinte Otto hoffnungsvoll.
    »Nach Schnee!« rief der Leutnant verächtlich. »Nach Schnee sieht es schon seit Tagen aus! Aber wer weiß, wann es in diesem verdammten Winter wirklich schneit. – Nein, nein, Unteroffizier, richten Sie sich mit Ihrem Kirschwasserruhig auf länger ein. Mit mir brauchen Sie nicht zu rechnen, ich habe Obstschnaps da.«
    »Jawohl, Herr Leutnant«, antwortete Otto. »Der wärmt auch gut.«
    Beide schwiegen eine lange Zeit. Otto hörte auf das Geräusch der Kanonade, er versuchte, die Kaliber zu erraten, die Flugbahn, die Stellung der Geschütze. War man nervös oder ängstlich, so beruhigte nichts so sehr wie das. Man zwang das Ohr zu angestrengtestem Horchen und vergaß darüber fast ganz die Angst um das eigene Ich. Dazwischen hörte er ab und zu reden im französischen Graben, sie schienen da trotz des nächtlichen Sturmangriffes ganz guten Mutes.
    »So ein Schwein!« sagte plötzlich der Leutnant von Ramin ganz laut. »Haben Sie das eben gehört, Unteroffizier? Da hat einer heißen Kaffee! So’ne verdammte Schweinerei, uns das noch zu erzählen!«
    »Wir haben uns im Graben um diese Zeit auch immer Kaffee gekocht«, sagte Otto.
    »Jawohl«, meinte der Leutnant, fast lachend. »Wenn man im Graben lag, schimpfte man auf die Grabenstellung und lauerte nur darauf, daß man zurückgenommen wurde. Und jetzt sehnen wir uns beide herzlich nach dem nassen, verlausten Unterstand im Graben.«
    »Man weiß eben immer erst«, stimmte Otto zu, »wie gut man’s hatte, wenn man’s schlechter bekommt.«
    »Richtig«, rief der Leutnant. »Aber wir wollen lieber sagen: Und wenn man noch so schlimm im Dreck steckt, man kann immer noch in eine schlimmere Scheiße geraten. – Wie lange sind Sie schon dabei, Unteroffizier?«
    »Von Anfang an. Vom ersten Tage an, Herr Leutnant.«
    »Mensch!« rief der Leutnant. »Haben Sie’s gut gehabt! Sie haben noch die erste Begeisterung, noch den Vormarsch erlebt! Ich bin gleich von der Penne weg in den Graben gekommen, in die elenden Schlammgräben in der Lause-Champagne – waren Sie auch mal da, Unteroffizier?«
    »Jawohl, beim Dormoisetal, Herr Leutnant.«
    »Mensch, da haben wir ja auch gelegen! Na, da können Sie sich ja ausmalen, wie einem ganz jungen Burschen zumute war, direkt von der Schulbank fort mit all der Begeisterung und hochfliegenden Ideen. Und dann rein in Schlamm und Dreck und Läuse! Und die Leute so finster und verzweifelt und gereizt …«
    »Jawohl. Es gab Tage, wo man jeden hätte umbringen können, bloß weil er hustete.«
    »Hustete!« rief der Leutnant grimmig. »Bloß weil er auf der Welt war, hätte man ihn totschlagen mögen! Ja, Mann, das war eine Zeit!«
    Er brach ab, er sagte finster: »Übrigens ist es jetzt auch nicht besser!«
    »Herr Leutnant sehen aber noch ganz hell und freundlich aus.«
    »Ja, so sehe ich aus«, antwortete der Leutnant gleichgültig. »Ich will Ihnen was sagen, Unteroffizier! Im Herbst, im September und Oktober, ist mein Regiment über zwanzigmal in demselben kleinen Grabenabschnitt eingesetzt worden. ›Fauler Blinddarm‹ nannten wir das Dings, und es taugte wirklich nichts, oberfaul stank es darin. Es war so ein Grabenrest von früher her, von unseren aufgegebenen Stellungen. Er war nichts mehr nütze, aber die oben hatten ihn auf ihren Karten. Der Graben

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