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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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rief er und schob sie aus der Tür. »Det machen wir hier alleene ab, von in’t Wasser jehn und so. – Nee, ick mach keenen Krach, ick mach allens janz sachte, so bin ick jar nich, ich schlag doch kein Mädel, wat, Evchen?«
    Er hatte die Pauli aus der Tür geschoben, und nun waren sie allein. Nein, es gibt wirklich keinen Krach – so ein bißchen Weiberschluchzen und Weinen, das rechnet man ja in solch einem Hause nicht. Sonst wird nichts hörbar – nichts, nein.
    Es war der Eva, als gerate sie weiter und immer weiter hinein in einen qualvollen Traum, aus dem man doch aufwachen mußte und nicht aufwachen konnte – immer schwärzer, immer trostloser. Der Weg über die Straße, die Verhandlungen mit Frau Pirzlau, die anderen Mädel, die es wie einen Witzauffaßten, denen die Neue Laune machte und die sie lachend ausstaffierten.
    Und dann das Stehen an der Ecke von der Langen und der Andreasstraße. Das qualvolle Stehen dort mit dem Wissen: Sein Auge bewacht sie. Es hatte zu schneien angefangen, nasser Schlackerschnee, die Männer hatten es eilig. Alle hatten es eilig, sie liefen schnell an ihr vorüber, die so lächerlich ausstaffiert war, mit einer grün gefärbten Federboa und einem großen Hut mit Straußenfedern …
    Und dann sein Pfiff aus dem Torgang, der kurze, scharfe Ludenpfiff, wie auf einem Schlüssel gepfiffen, wenn sie einen Mann ansprechen sollte, der ihm in Ordnung schien. – Und wie er plötzlich bei ihr war und sie schlug, weil sie ihn doch nicht angesprochen hatte. – Und wie er das nächstemal wieder schlug, als sie ihn erfolglos angesprochen hatte. – Und wie sie einen schwachen Versuch machte fortzulaufen, und wie er sie zurückholte und ihr mit einem Unterweltgriff fast den Arm zerbrochen hätte …
    Und wie sie schließlich doch Erfolg hatte und hinaufging mit einem Mann, und wie die Mädchen die Köpfe aus allen Türen steckten und ihr aufmunternd und anerkennend zunickten! Und wie ekelhaft und gemein die Welt war, und wie alles, alles Lüge gewesen war von Sauberkeit und Reinheit, was man je gehört hatte.
    Und wie sie gleich wieder hinunter mußte an ihre Ecke …
    Und wie sie am Abend Streit bekam mit einem anderen Mädchen, das diese Ecke für sich beanspruchte, und wie Eugen nun das andere Mädchen schlug … Und wie gleichgültig die Leute an so etwas vorüberliefen, und wie das Leben immer weiterging, und gar nichts war eigentlich geschehen und geändert …
    Und wie das andere Mädchen wiederkam mit einem Kerl – es war schon dunkel –, und Eugen kriegte nun mit dem anderen Kerl Streit … Und sie ging langsam, langsam um die Ecke …
    Als sie aber um die Ecke war, lief sie los, sie lief weiter,immer weiter, in die Stadt hinein … Sie eilte, sie mußte schnell machen, er konnte ihr nachkommen. – Und sie ging, in ihrer auffallenden Pracht, an hundert Schutzleuten und fünfzehn Sittenpolizisten vorüber, aber keiner sah sie, denn sie hatte ein Ziel …
    Dann kam sie in den dunklen Tiergarten, und hier warf sie erst einmal den Federhut und die Federboa hinter einen Busch. Leichter ging sie weiter, sie ging eilig durch die Bendlerstraße und kam an das Königin-Augusta-Ufer. Hier war es still, hier war sie am Ziel.
    Sie setzte sich auf eine der nassen Bänke unter eine kahle Kastanie. Was so ein Lied tut, ein Schlager! Sie hätte es so nahe gehabt von der Langen Straße zur Spree, nur fünf Minuten hätte sie bis zur Spree zu laufen gehabt. Aber es hatte ihr schon den ganzen Nachmittag im Ohre geklungen, dieses: »Es schwimmt eine Leiche im Landwehrkanal …«
    Es klang ihr nicht schauerlich, es klang ihr irgendwie vertraut, es war ja alles gar nicht so schlimm: Es schwimmt eine Leiche im Landwehrkanal. Es kam hundertmal vor, man sang davon und lachte darüber. Es war nicht schlimm, es gehörte kaum ein bißchen Mut dazu …
    Darum ist sie bis hier gelaufen, dies ist ja der richtige Landwehrkanal. Hiervon wird gesungen …
    Sie sitzt, sie sitzt sehr lange. Endlich steht sie auf – schon das Aufstehen ist nicht leicht. Es ist ein Widerstreben in ihr, da es nun endgültig soweit sein soll. Dies Widerstreben wächst, als sie in den dunklen Schacht hinabsteigt, in dem es so grausig leise plätschert, als schwömmen dort Ratten. Ach, es ist ja egal, ob dort Ratten schwimmen, es ist einer Toten egal. Aber sie steigt immer langsamer; doch, so langsam sie auch steigt, schließlich kommt die letzte Stufe.
    Sie steht auf der kleinen gemauerten Plattform, das Wasser ist hoch, es ist kaum

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