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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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einen, erklärt er ihnen. – Schickt mir einen jedes Jahr. Wo immer ihr seid. Per Boot, Pferd, Läufer, was am besten geht. Wir werden sehen, ob sie mich erreichen. Ich möchte eure Stimmen hören. Er schaut Ann-Hari an. – Ich möchte eure Stimmen hören.
    Einen nach dem anderen schließt er in die Arme. Er drückt jeden seiner Gefährten fest an sich, auch solche, deren Namen er nicht kennt. – Lang lebe der Eiserne Rat, sagt er zu jedem. – Langes Leben, langes Leben.
    In einer spontanen Aufwallung schalkhafter Zuneigung, schiebt er Uzman die Zunge in den Mund, und der Remade zuckt zurück und will sich losmachen und tut es dann doch nicht. Judah küsst ihn nicht lange. – Sei nett zu den Zahltag-Jungs, flüstert er ihm ins Ohr, und Uzman lächelt.
    Und Judah umarmt Ann-Hari, und sie küsst ihn wie damals, als sie Liebende waren. Er zieht sie bei den Hüften eng an sich heran, und sie hält einige Atemzüge lang sein Gesicht zwischen den Händen. – Langes Leben, wispert er in ihren Mund. – Langes Leben.
    Er hat vergessen, um wie viel schneller man alleine reist. Kaum ein Tagesmarsch, und er ist wieder beim Rauchsteingarten angelangt. Die Hand des im Fels verkapselten Toten ist abgenagt bis auf den roten Knochen.
    Judah wandert über die Kämme der Yardangs wie über erstarrte Meereswellen. Er sieht zurückgelassenes Kriegsgerät, hier und da einen Toten. Gegen Mittag fühlt er Schatten, und über ihm ist eine Schule von Luftschiffen mit Kurs auf den Ewigen Zug. Judah stützt sich auf seinen Wanderstab und beschirmt die Augen mit der flachen Hand.
    Eigentlich sollte er um seine Gefährten besorgt sein, doch er hat keine Angst. Er liest die Formation der Aerostate. Er lächelt, allein auf dem Boden, als sie wie bedächtige Barrakudas vorüberziehen. Es sieht aus, als ob sie zögern. Er setzt sich hin, mit dem Rücken an einem Granitvorsprung, und beobachtet.
    Man sieht die Rauchfahne der Lokomotive. Ein mittelgroßer Orlog tastet sich nervös in den Luftraum über dem Fleck. Von hier aus wirkt die Landschaft vollkommen normal, doch Judah spürt, wie etwas Übelwollendes unter der Haut der Welt die Glieder reckt.
    Das Luftschiff lässt bei der Annäherung an den Zug seine Bombenlast fallen. Die Feuerblumen der Einschläge erblühen über den Hügeln. Auch jetzt noch hat Judah keine Angst.
    In der Ferne ballt der Himmel sich zu einem Knäuel, durchschlängelt von innerlicher Bewegung – nicht eine Wolke, sondern ein Aspekt des Himmels selbst, greifbar, krakenarmig über dem Undefinierten Land. Geräusche klingen verzerrt. Judah hält den Atem an. Ein mechanisches, angstvoll klingendes Stottern. Das Luftschiff torkelt, bekommt Schlagseite und richtet sich wieder auf, und dann ist es verändert, ist aus der Höhe herabgedrückt worden – und es wendet, es entfernt sich in einem Tempo, das – könnte Judah wetten – von Panik diktiert ist.
    Der Zug setzt seine Fahrt fort, tiefer hinein in das Tausendplagenland, das die Eindringlinge aus New Crobuzon nicht hat passieren lassen.
    Judahs Rückmarsch dauert Monate. Sein Leben wird zu einer Fuge des Wanderns. Über Bäche, Sümpfe, über Felsen, durch Wälder gläserner Bäume, durch Wälder von, wie er glaubt, fossilen Bäumen, bis er sieht, es sind mehrfach mannshohe Gerippe. Er wandert durch eine Knochenlandschaft, eine Ossein-Ökologie mit ihrer eigenen Fauna und Flora.
    Seen, an denen er vorbeikommt, sind aufgewühlt von den Kämpfen sich befehdender Vodyanoi-Clans. Schornsteine, die aus Berghängen ragen, verraten die Wohnstätten von Troglodyten. Judah ist zu Gast bei unbeachteten Priesterstämmen. Er wird ausgeraubt von fReemade, er wird Mitglied einer Bande fReemade.
    Sein Körper verändert sich. Die schwellenden Muskeln des Schwerarbeiters schrumpfen, und wieder ist er hager und sehnig, gehärtet von Wind und Wetter und endlosen Meilen. Garuda bringen ihm Nahrung, atzen ihn mit wortloser Mildtätigkeit. Er richtet sich nach seinen nicht unbedingt verlässlichen Karten und dem Kompass. Er kehrt nicht auf dem langen Weg zurück, den er gekommen ist, sondern hält sich genau nach Osten.
    Er gerät in einen Sturm, in einer Basalteinöde etliche hundert Meilen von New Crobuzon entfernt, geht vorbei an meilenhohen Blitzbäumen, Blitzstrahlen, gebannt von geheimnisvollen Kräften, ein grell verästelter Magnesiumforst.
    Die flache Rostsilhouette einer von der Zeit zerfressenen eisernen Stadt. Und ein Sumpf, dessen thaumaturgisch verflixter Modder seine

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