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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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wir nach Norden ausweichen, wird unvermeidlich Cobsea von uns erfahren.«
    »Als ob der Rat nicht mit den Jammerlappen aus Cobsea fertig werden könnte«, warf Cutter dazwischen. Aber sie fuhr fort, ohne auf die Bemerkung einzugehen:
    »Und wenn Cobsea uns findet, wird es nicht mehr lange dauern, bis auch New Crobuzon Truppen schickt. Und dann haben sie uns in der Zange: Miliz vor uns, die den Weg zur Stadt versperrt, und im Rücken die Truppen, die schon seit Tesh hinter uns her sind.«
     

     
    Einer der Waggons des Ewigen Zugs verwandelte sich. Sie waren in dem Glauben gewesen, das Tausendplagenland habe sie einigermaßen glimpflich davonkommen lassen, der Spitalwagen mit den unnatürlich Siechen und Sterbenden sei die einzige beklagenswerte Folge. Doch einige der Auswirkungen des Torques machten sich erst mit Verspätung bemerkbar.
    Drei Personen befanden sich in dem geschlossenen Güterwagen, als dessen Torques-Sarkom zum Ausbruch kam. Der Zug ratterte durch ein Hochland alpiner Vegetation und schroff aufragender Felsformationen. An einem Morgen – Schnee fiel wie feiner Staub, und die Motteks mussten sich vor jedem Zuschlagen in die Hände hauchen – ließ die Tür des Wagens sich nicht mehr öffnen. Die drei im Innern mussten durch Ritzen zwischen den Brettern um Hilfe rufen.
    Man versuchte, mit einer Axt die Tür einzuschlagen, aber sie prallte zurück, ohne die geringste Spur an Anstrich oder Holz zu hinterlassen. Da ahnte man: Dies war die letzte böse Saat des Tausendplagenlandes. Inzwischen waren die Stimmen der Eingeschlossenen gleichgültig geworden, als hätten sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden.
    Im Lauf der Nacht bemerkte man bei ihnen eine zunehmende Mattigkeit. Am nächsten Tag begannen die Umrisse des Wagens aufzuweichen, er wirkte aufgebläht, gerundet, und die Leute drinnen gaben zufriedene, walartige Laute von sich. Die Wände, Bretter und Nägel und Holzfasern, wurden milchig, dann seltsam glasig. Verzerrt konnte man Gestalten erkennen, wie in Wasser dümpelnd. Nach und nach sank der Wagen quallig über seine Räder, die Dirimisten im Innern schwebten behäbig in öliger Luft. Die Gegenstände aus den Vorratsregalen verloren ihre Form und flottierten als undefinierbare Partikel durch den Raum.
    Noch vor dem Abend war der Wagen eine riesige, von einer Membran umschlossene Zelle; drei Nuklei, noch erkennbar als zwei Männer und eine Frau, ruhten im Zytoplasma. Sie schauten auf die Gefährten draußen und winkten mit stummeligen Arm-Flagellen. Einige vom Rat waren dafür, die Groteskerie abzukoppeln und wegrollen zu lassen, dann könne sie sich ihrer neuen Biologie entsprechend entwickeln oder vergehen. Andere aber sagten: Das sind unsere Kameraden da drin, und ließen es nicht zu. Der lange Zug setzte seine Reise fort, samt dem wie Gelatine wabbelnden plumpen, amöbenhaften Gebilde und dessen versonnen lächelnden Passagieren.
    »Was in Jabbers Namen ist das?«, wollte Cutter von Qurabin wissen.
    »In Jabbers Namen gar nichts. Ich weiß es nicht. Für manche Dinge mag ich nichts von mir eintauschen. Und wenn doch, es gibt Geheimnisse ohne tieferen Sinn, Fragen ohne Antworten. Es ist, was es ist.«
     

     
    Vierzehn Tage nach dem Verlassen des Malakornukopischen Flecks kam es zu ihrer ersten Begegnung mit Ostländern seit zwanzig Jahren. Eine kleine Gruppe Nomaden aus den Bergen, fReemade, dreißig, vierzig Köpfe stark. Sie waren eine wilde Mischung, mitsamt einem seltenen Vodyanoi-Remade zwischen den für Schwerarbeit oder Zurschaustellung umgestalteten Männern und Frauen.
    Sie näherten sich dem Zug mit wachsamer Höflichkeit. »Wir haben eure Kundschafter getroffen«, erklärte ihre Anführerin. Ihr Remaking bestand in organischen Peitschen. Sie schaute und schaute, und Cutter brauchte lange, um zu begreifen, was er in ihren Augen las, war Ehrfurcht. »Sie haben uns gesagt, ihr seid auf dem Weg.«
    Die Remade des Rats musterten sie und ihre Briganten. »Alles scheint im Umbruch zu sein«, berichtete die fReemade an diesem Abend bei einem frugalen Festmahl. »In der Stadt soll es drunter und drüber gehen. Sie befindet sich im Belagerungszustand. Tesh glaube ich. Und innere Unruhen soll es geben.« Genaueres wussten sie nicht. Zu viele Meilen und Jahre lagen zwischen ihnen und der Stadt, die sie hervorgebracht hatte. New Crobuzon war für sie fast ebenso Legende wie für die Dirimisten.
    Sie wollten sich dem Rat nicht anschließen. Sie wünschten ihnen Glück, schieden als Freunde

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