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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Ungeübtheit vortäuschte. Seine Geschichte war eine Art Grabrede für die von den Bucklern Getöteten.
    »So viele haben wir verloren. Sie wurden zu Glas, und dann waren sie einfach fort, auf einem Berg, der ein Knochen war und dann ein Knochenhaufen und dann wieder ein Berg. Wir lernten Methoden, um durch dieses Land des Scheinbaren hindurchzukommen.«
    Kein Wissenschaftler in Bas-Lag wusste mehr über den Malakornu als der Eiserne Rat.
    »Nun, bei unserer Wiederkehr, ist das Land umgewälzt, und der Torques hat sein Werk getan. Teile der Gleise, die wir versteckt haben, damit sie auf uns warten, sind nicht mehr da, andere sind verdreht wie Korkenzieher, manche sind Rillen in der Form von Gleisen, manche Eidechsen aus Stein. Doch es sind noch genug übrig, dass wir wieder hinausgelangen. Zur anderen Seite, nur noch die Steppe zwischen uns und New Crobuzon. Viele hundert Meilen, Wochen, vielleicht Monate, aber nicht Jahre, wie früher.«
    Weit im Westen hatte die Miliz ihre Spur aufgenommen.
     

     
    Sie erlebten einen zweiten Überfall durch Buckler. Diesmal griffen sie den Zug an und wurden zurückgeschlagen, doch nicht ohne Verluste. Sie wuchteten heran in ihrer seltsamen geodätischen Fortbewegungsweise und machten sich an den Waggons zu schaffen, hinterließen die Spuren von steinharten Zähnen und ätzendem Speichel. Dirimisten starben bei dem Versuch, sie zurückzuwerfen. Außer ihnen gab es noch andere Kreaturen: hundegestaltige Schatten, Affen mit Hyänenstimmen und einem Pelz aus Gras und Blättern.
    Das Gelände sträubte sich gegen den Eisernen Rat, hatte fast mit jedem Lidschlag ein anderes Gesicht, durch beschleunigte Korrosion, tektonische Auffaltungen in einer irrealen Rapidität, als hätte die Zeit sich von ihren eigenen Gesetzen losgesagt. Der Boden war in ständiger Bewegung. Nach Stellen unvermittelt hereinbrechender extremer Kälte, wo Frostaufbrüche die Schienen verbogen, kamen Bereiche mit gemäßigteren Temperaturen, aber die Felswände rückten enger zusammen und kriechende Hügel verfolgten sie.
    Sie legten die Gleise auf ein provisorisch geglättetes Bett, auf provisorische Schwellen in provisorischem Abstand. Es war eine provisorische Strecke, für den Moment, den der Zug brauchte, um vorbeizufahren, dann gewesen. Verlegt und aufgehoben und verlegt von den Remade und jungen Dirimisten, für die die alte Heimat ihrer Eltern ein fremder Ort war. Durch ein großflächiges Sumpfgebiet, ein Moor, das die Schienen hinabsaugte.
    Von Zeit zu Zeit hob Cutter den Blick von seiner Arbeit mit dem Hammer oder der Schaufel und sah, dichter als ihm lieb war, das Dräuen des Malakornukopischen Flecks: die Verquickung von Himmel und Landschaft, ein Kindergesicht, ein Auseinanderspritzen von Laub, ein Tier in der Unbestimmtheit der Berge und der Luft. Wir sehen ihn nicht einmal mehr, dachte er verwundert und schüttelte den Kopf. Der Himmel war klar, aber ein feiner Abendregen nieselte auf sie herab. Man kann sich an die bizarrste Ungeheuerlichkeit gewöhnen, dachte Cutter.
    Mit dem Wissen, dass die Miliz ihnen auf den Fersen war, hatte sich eine seltsame Gelassenheit über den Eisernen Rat gebreitet. »Sie werden an der Grenze Halt machen«, sagte Judah, aber Cutter merkte, dass er sich dessen nicht mehr sicher war. Cutter machte Heliotypien von dem haltenden Zug, von der metamorphischen Landschaft und den sie bevölkernden Kreaturen, die nicht Insekten waren, nicht Eidechsen, nicht Vögel und nicht eiserne Zahnräder, sondern eine Zufallsmelange, befruchtet von all diesen Dingen.
    Judah war still. Er ruhte in sich selbst. Eines Nachts kam er zu Cutter und erlaubte dem jüngeren Mann, ihn zu vögeln, was Cutter tat, mit dem Enthusiasmus und der Liebe, die er nicht beherrschen konnte. Judah lächelte ihn an und küsste ihn und streichelte seine Wange, Götter, nicht wie ein Liebender, sondern wie ein Priester.
    Die meisten seiner Stunden verbrachte Judah in dem Laborwaggon, der Alchimistenküche, die voll gestopft war mit magischem Krimskrams. Er zog den Voxiterator auf. Lauschte wieder und wieder den aufgezeichneten Stiltspear-Gesängen. Cutter sah seine Aufzeichnungen: wimmelnde Notenzeichen auf farbig hingeworfenen Linien, Marginalien, Taktstriche, vielfach korrigiert. Judah brummte Rhythmen vor sich hin.
    Einmal sah Cutter ihn im Zwielicht des frühen Abends vor der Lok des Ewigen Zugs stehen und hörte ihn halblaut eine abgehackte Harmonie summen, dazu schlug er sich mit einer flachen Hand sacht

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