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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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schwarzer Perlenaugen. Es wuchs in die Höhe.
    Die Ranken waren nicht Ranken, sondern die mit Saugnäpfen besetzten Gliedmaßen der Kreatur. Ein solcher Tentakel haftete an jeder der mageren Gestalten – jedem Erwachsenen, jedem Kind, jedem Tier, bei allen hatte er sich am Nacken festgesaugt. Was sie aßen, nahm den Weg durch die grotesken Eingeweideschläuche, wurde mit peristaltischen Bewegungen weiterbefördert. Sie waren willenlose Zulieferer von Nahrung. Im Zentrum dieser Arme und umzüngelt von einer Mähne solcher, die noch nach Opfern suchten, befand sich das Ding, welches sie ernährten.
    Korpulent wie ein fettleibiger Mann, vage und widerwärtig polypenartig, hing es nicht herab wie ein totes Gewicht, sondern schwebte, ähnlich einem Ballon, aufgebläht von Gas oder Thaumaturgie. Cutter sah, wie an der Unterseite Krustentierbeine ausklappten und sich streckten, unglaublich spindelig und dicht beisammen. Es ragte wie auf einem Bündel dünner Stängel mehr als mannshoch aus dem Sumpfloch. Es tropfte. Es taxierte. Seine Tentakel bebten, und es spreizte hornige Krallen.
    Die Kreatur trippelte hurtig und lächerlich etepetete auf Beinen, die von Rechts wegen nicht hätten im Stande sein dürfen, sie zu tragen. Die Tentakel dehnten sich gummiartig. Sie ging auf Beutefang, ohne ihre hirnlosen Futterspender zu irritieren.
    Die Hiddentowner rannten um ihr Leben, verfolgt von Nebelgeistern und den Armen der Kreatur. Sie packte Bäume mit ihren Vogelkrallen, und fleischige Knospen stülpten sich aus wie die Augen einer Schnecke. Cutters Repetierer fühlte sich winzig klein an. Er lief dorthin, wo Judah stand. Die Greifer der Kreatur peitschten durch die Luft. Cutter sah winzige, winzige Augen an der Spitze eines Arms, eine runde, saugende Mundöffnung, konzentrische Raspelzähne wie bei einem Neunauge.
    Cutter feuerte auf den gerippten Leib, traf und erreichte nichts weiter, als dass die Haut ein wenig aufplatzte und eine weißliche Flüssigkeit austrat. Ein Gewimmel von Armen schlängelte sich auf ihn zu, über- und untereinander kriechend wie futterneidisches Gewürm.
    »Tötet es!« Von irgendwoher Qurabins Stimme. Weitere Schüsse krachten.
    Cutter hörte Judah – »Wartet, wartet« – und dann Holz und Leder. Sein Blick flog zu dem Golem, der die Klingenhand auf das Tentakelknäuel niedersausen ließ und die meisten mittendurch schnitt. Einer, der unversehrt geblieben war, wand sich an ihm empor, bohrte sich in des Golems Nacken, presste unter Zuckungen Enzyme in das Holz. Hielt inne, als wäre er verwirrt.
    Der Golem attackierte auf seine kunstlose Art, schlug mit den Messerhänden um sich und mit gewaltigen, magischen Kräften. Klaffende Wunden öffneten sich im Leib des bizarren Parasiten, Blut spritzte, und er wankte, und einer nach dem anderen hörten seine versklavten Ernährer auf zu essen. Pomeroy kam gelaufen, rammte ihm den Lauf in die Feiste. Der Schussknall wurde durch die wabbeligen Fleischmassen gedämpft, aber die geballte Ladung der Trommel schmetterte in Gedärm.
    Selbst dann fiel er nicht, torkelte nur mit seinen gezierten Trippelschrittchen und wankte. Doch schon war der Golem über ihm. Cutter richtete seine Aufmerksamkeit auf Judah. Der Somaturg bewegte den eigenen Körper, ein wenig, und der Holz-und-Messer-Golem ahmte ihn nach. Hieb um Hieb schnitt und hackte der Golem den Parasiten in Stücke.
    Die Opfer der Kreatur waren tot oder totengleich. Sie waren seit langem nur Fressmaschinen gewesen für das unersättliche Scheusal.
    Susullil und Pomeroy waren verletzt. Susullil duldete, dass Cutter ihm die Schmarre säuberte. Von den Hiddentownern waren zwei zu Tode gekommen. Einer war in Reichweite der unnatürlich ausgemergelten Männer und Frauen hingefallen, die nach ihm gegriffen und schwächlich angefangen hatten, ihn zu benagen.
     

     
    Die Hiddentowner sammelten organische Trophäen, wühlten im Kadaver der Bestie, nach ihrem Schnabel, den Krallen. Cutter wandte sich angeekelt ab. Er hätte gern eine Kamera gehabt. Er stellte sich die Aufnahme vor: Susullil neben Judah neben Elsie neben Pomeroy mit seiner Muskete, und er, Cutter, am Ende der Reihe neben dem Golem; auf allen Gesichtern der stolze Ernst des Großwildjägers.
    In dieser Nacht traf man sich zu derber Kurzweil im Langhaus in Hiddentown. Männer und Frauen, ehedem Sammler/Jäger, und die Bewohner von Chelonia tanzten, berauscht von Mondscheinschnaps.
    Dazwischen huschten die kleinen Käferleute umher. Sie redeten nicht,

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