Der Eiserne Rat
ausdruckslos.
»Und weshalb bist du dann hier?«, fragte Cutter.
»Weil dies meine Stadt ist, die sie auf mein Verlangen hin gebaut haben. Sie brauchen mich. Hmmm, du – du bist nicht überzeugt von deinem Gremium, habe ich Recht, Kaufmann?«
Cutter fühlte sich wie vom Donner gerührt. Die anderen schauten ihn an. Drogons Kopf ruckte vor. Er verzog den Mund, wie um auszuspucken. Von der körperlosen Stimme ein scharfes Japsen. Es gab ein Spektakel, etwas fiel um, man hörte jemanden sich übergeben, die Substanz der Dinge wankte und dann, bebend vor Anstrengung, erhob eine Gestalt in Kutte und Kapuze sich hinter dem Tisch. Ein schmales, grämliches Gesicht, tief eingekerbte Falten und geschorener Schädel; von der hängenden Unterlippe des verschreckt offen stehenden Mundes tropfte Erbrochenes, die Augen stierten in glasiger Bestürzung.
Sie oder er verharrte einige Augenblicke regungslos, zitternd, wie in eisiger Lähmung, stieß dann ein ächzendes Würgen aus und lief quer durch den Raum zu einer Säule, um sich dahinter zu verstecken. Cutter eilte hinterher, Pomeroy kam von der anderen Seite, doch als sie sich hinter der Säule trafen, war außer ihnen niemand da. Die Gestalt war verschwunden.
Wieder ließ sich die Stimme vernehmen, empört und ängstlich.
»Tut das ja nie wieder«, schimpfte sie. Drogon raunte in Cutters Ohr.
»Habe ihn geortet. Hab ausgerechnet, wo er steckt, und ihm ein Flüstern gesandt. Er soll nicht unsere Gedanken lesen. Und zeig dich, habe ich ihm befohlen.«
»Warte, Wisperschmied.« Cutter hob die Hand. »Ein verfluchter Gott willst du sein?«, sagte er in den leeren Raum hinein. »Wie nennt man dich? Wieso sprichst du unsere Sprache? Was bist du?«
Die Antwort ließ auf sich warten. Cutter fragte sich, ob die Gestalt im Schutz des thaumaturgischen Umhangs hinausgeschlüpft war. Als die Stimme sich wieder meldete, klang sie resigniert, aber Cutter war überzeugt, auch Erleichterung herauszuhören.
»Ich spreche Ragamoll, weil ich lernen musste, es zu lesen, wegen all des geheimen Wissens in euren Büchern. Ich bin hier – nun, wie alle anderen, die hier sind, wurde ich vertrieben. Ich bin ein Flüchtling.
Eure Miliz macht einen Bogen um Tesh, noch, aber sie ist bis dicht an die Catoblepas-Ebene herangerückt. Sie hat unsere Städte und Außenposten attackiert. Tesh-Monasterien. Ich bin ein Zönobit. Adept des Augenblicks der Verlorenen Dinge. Augenblicks des Nicht Offenbaren.«
Die Miliz hatte im Schatten von Tesh gewütet. Die Stadt hatte die Tore geschlossen und den Sumpfgürtel geflutet. Das Zönobium lag dahinter, im Dornstrauchtal. Man glaubte dort, nicht bedroht zu sein. Als Nachricht kam, eine Crobuzoner Sklavenschwadron aus Remade-Assassinen sei im Anmarsch, warteten die Zönobiten auf Hilfe aus Tesh. Tage vergingen, bis sie begriffen, dass keine Hilfe kommen würde, dass man sie im Stich gelassen hatte. In Panik schmiedeten sie wirre Pläne. Ihr Schrein war dem Mannigfaltigen Horizont geweiht, die Mönche Jünger der verschiedenen Augenblicke, und nun wurde jeder Augenblick eine Brigade.
Einige kämpften, andere suchten den heiligen Tod. Die Jünger Cadmers, Augenblick des Kalküls, wussten, sie konnten nicht siegen, und harrten im Dornstrauchtal der feindlichen Waffen. Die Jünger von Zaori, Augenblick des magischen Weins, tranken sich in den visionären Tod, bevor ein Milizzer Hand an sie legen konnte. Der Augenblick der Taube hingegen sandte seine Vögel aus, um sich in die Räder der heranrückenden Truppen zu stürzen und ihre Maschinen zum Stillstand zu bringen. Der Augenblick der Austrocknung verwandelte Milizblut zu Asche, Pharry und Tekke Shesim, die Augenblicke des vergessenen Schnees und der Erinnerung, taten sich zusammen und brauten Hagelstürme.
Jedoch die Thaumaturgen der Miliz waren Meister ihrer Kunst, die Offiziere der Sklavenkompanie erbarmungslos, und am Ende konnte das Zönobium nicht gehalten werden. Als es fiel, waren es einzig die Jünger von Tekke Vogu, dem Augenblick des Geheimen und Verlorenen, die entkamen.
Ihre Neophyten wurden erschlagen, aber die Frömmigkeit der Mönche verbarg sie. Sie waren für die Verfolger unsichtbar. Sie stahlen sich hinweg, fort von den brennenden Ruinen ihres Klosters, und von Tesh, Stadt der Schleichenden Wasser, die ihnen verschlossen war, die sie ihrem Schicksal überlassen hatte. Sie waren in die Welt hinausgegangen.
Der Mönch erzählte ihnen alles. Wollte es sich von der Seele reden, so
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