Der Eiserne Rat
Zeit.
Nun war der Herzschlag der Zeit angehalten worden von diesen Leuten aus der Unterhaltungsbranche. Sie haben die Vergangenheit konserviert. Seine schmarotzende Gutheit regt sich, sein heiliger, innerlicher Symbiont.
Auf einmal ist es leicht, New Crobuzon abzuschütteln. Die in der Stadt verbrachten Monate verblassen zu unerheblicher Erinnerung.
Er schreibt an seine wenigen Kunden. Er schreibt an Pennyhaugh, dankt ihm für seine Bemühungen, wünscht ihm Glück, versichert, er werde sich melden, sobald er zurückgekehrt sei nach New Crobuzon, was er für unwahrscheinlich hält.
Noch eine weitere Technik möchte er sich aneignen. In Kinken sucht er das Gespräch mit Khepri in den dortigen Werkstätten, gesprochene Fragen und ihre handschriftlichen Erwiderungen. Er lässt sich von ihnen die Funktion ihres Metauhrwerkantriebs erklären, soweit sie gewillt sind, dies zu tun. Er kauft thaumaturgische Batterien und lädt sie bis zur Erschöpfung aus den eigenen Adern. Er benötigt etliche Versuche. Er spannt bei dem verfallenen Haus, in welchem die Kinder wohnen, die ihn ins Herz geschlossen haben, einen Stolperdraht. Kaum graut der Morgen, erwacht das erste von ihnen, ein kleines Mädchen, und macht sich auf, um ein Frühstück zu organisieren. Ihre schmutzigen Füße zerreißen das Garn, summend und mit einem Schnappen schließt sich ein Stromkreis und dann, o fein, von den Steinen neben der Tür nähert sich tanzend eine kleine Gestalt. Das Mädchen steht still und beobachtet sie wachsam.
Der kleine Golem hat die Größe ihrer Hand. Er tanzt, wie Judah ihm aufgetragen hat zu tanzen, als er sein Kadabra installierte, die Energien speicherte, bereit für den Auslöser. Er tanzt auf sie zu. Er besteht aus Münzen. Er stolpert und fällt hin und zerklimpert, und das kleine Mädchen bückt sich und klaubt die Münzen auf.
Judah beobachtet sie von einem Hauseingang aus. Er hat einen Golem und seine Befehle für einen späteren Zeitpunkt bewahrt. Hat ihn warten lassen, auf den in die Zukunft determinierten auslösenden Impuls. Er weiß nicht, ob dies irgendjemandem vor ihm schon einmal gelungen ist.
Und er ist zurückgekehrt ins Fenn. Wasserflächen sind vereist, die Ranken, die zottelig von kahlen Zweigen hängen, sind steif gefroren, die Tiere schlafen. Schweigen liegt über dem Sumpfgebiet. Meilenweit entfernt das Lager der Bautrupps und der Arbeitszug.
Die Schienen haben ihn an Orten vorbeigeführt, die gestorben sind und tot. In Gebiete, die nicht gezähmt sind, sondern entstellt von dem Werk und denen, die es tun, und endlich durch die Wäldchen auf künstlichen Inseln, über ausgebaggerte Isthmen und weiter ins Fenn. Judah dringt tief ein in das Herz des Rieds, sucht nach denen, die einst sein Stamm gewesen sind.
Er ist schwer beladen: sein neuer Voxiterator und die Wachszylinder, seine Kamera, die Waffen. Er ist darauf bedacht, nicht mit einem Jäger verwechselt zu werden, bemüht sich, beim Gehen Lärm zu machen. Er singt die Lieder, die er von seinen Stiltspear gelernt hat. Er singt das Lied vom Frühstück, das Lied der Begrüßung, das Lied eines guten Tages. Er hält seine Hände so, dass man sie sehen kann.
Als sie sich zu guter Letzt herbeilocken lassen, sind es Angehörige fremder Stämme, also singt er das Lied guter Nachbarschaft und das Lied des darf ich hereinkommen. Sie umringen ihn einmal als Bäume, einmal als Stiltspear, und sie zeigen ihre Zähne und ihre Waffenhände. Als er sich immer noch nicht zur Flucht wendet, schlagen sie ihn, und als er noch nicht flieht, bringen sie ihn in ihr verstecktes Dorf. Ihre Clans und Familiengruppen sind zerbrochen: Diese sind die Letzten ihres Volkes.
Kinder kommen herbei, bestaunen ihn. Er schaut sie an und sieht eine letzte Generation.
Seine Gutheit meldet sich, aber Judah weiß, sie sind zum Untergang verurteilt und nichts kann das ändern. Sie nehmen ihn mit auf die Jagd – Muhmen und Ohme gemeinsam, keine Zeit für die traditionelle Separation –, und er hört ihr ah ah ah, das kontrapunktive Atmen und den gehauchten Rhythmus. Das Wasser schlägt Wellen, liegt still.
Er richtet den Schalltrichter aus und bannt ihre Töne auf Wachs. Er hört sie sich an, dreht die Kurbel, lauscht der vokalischen Kadenz. Judah kann sie sehen. Er sieht ihre Form. Er blickt durch eine Linse und ist ein Geograph auf dem Wachskontinent des Gesanges, verfolgt Schluchten, das schneckenförmige Tal, die Gipfel und Grate. Er dreht langsamer, hört das Lied
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