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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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und die Tunnelbauer treiben ihre Stollen durch Felsgestein.
    Das alles passiert weiter vorn. Judah legt Schwellen.
    Und folgendermaßen geht die Prozedur vor sich: Im Morgengrauen werden die soundsoviel hundert Männer von Glockensignalen geweckt und frühstücken im Speisewagen Kaffee und Fleisch aus Schüsseln, die am Tisch festgenagelt sind, oder essen in zufälligen Gruppen und Grüppchen irgendwo an den Gleisen. Den Vortritt haben die Echten: die menschlichen Schwerarbeiter, Kaktusmänner aus New Crobuzons Glashaus, ein paar Renegaten aus Shankell.
    Nach ihnen, von den Aufsehern zu ihrer Mahlzeit getrieben, essen die Remade das, was übrig geblieben ist. Unter ihnen sind auch Frauen, Remade mit dampfbetriebener Körperhülle, Eisen-und-Gummi oder tierischer Materie. Gefangene mit Dampfkesseln erhalten ausreichend Grus und minderwertigen Koks, dass sie arbeiten können.
    Der Arbeitszug hält in einigem Abstand. Pferde oder Pteravögel oder Remade-Ochsen ziehen Flachwagen von Schienendepots neben der Strecke zum Kopf und wieder zurück. Die Kolonnen arbeiten sich zu, industrielles Menuett. Zufassen – anheben – hinlegen, die klingenden Hammerschläge, und neue Schienen kommen, und die Wagen werden neu beladen und kehren zurück an die Spitze der wachsenden Strecke. 3,2186 Meter, einige Zentner Eisen auf einen Schlag, wird die Strecke jedes Mal länger.
    Jabber, was bringen wir hier in die Welt?, denkt Judah beim Anblick des ameisenhaften Treibens. Was tun wir? Die lärmende und beiläufige Großartigkeit erfüllt ihn mit Ehrfurcht.
    Bei der Arbeit singt er Beschwörungsformeln vor sich hin. Unsichtbar verwandelt er jeden kalten Holzbalken in einen arm- und beinlosen Golem, der für die kurze Spanne seines Quasi-Lebens danach strebt, vom Schwellenwagen zu dem staubigen Gleisbett zu gelangen. Judah spürt das gedankenlose Ziehen von jedem Balken, und es hilft ihm. Er kann mehr bewältigen, als sein Soll wäre. Wenn die Wasserträger vom Zug her kommen, der so weit hinter ihnen ist, dass man ihn nicht sieht, drängt jeder sich, zuerst zu trinken, bevor Staub und Spucke das kostbare Nass verdreckt haben. Die zahlreichen Remade warten.
    Bei seinen Zeltgefährten ist Judah beliebt. Sie lauschen seinen Geschichten vom Abenteuer im Fenn, erzählen ihm von Schwierigkeiten beim Bau.
    - Auch die verdammten Remade machen Probleme. Wegen dem Essen und so was allem. Und die Preise von den Huren steigen und steigen. Jemand hat gesagt, von daheim kommt nicht mehr genug Bares. Weißt du was davon? Man hört, daheim gehen die Preise in den Keller und das Geld wird knapp.
     

     
    Den Schwellenlegern folgen die Schienenleger und Motteks, und hinter ihnen kommt zyklopisch, fauchend und schwankend der Zug, verehrt wie ein Dampf schnaubender Popanz.
    Judah sieht, wie Remade mit der Knute gezüchtigt werden, und das Wesen in ihm erschauert jedes Mal, so heftig, dass er beinahe hinfällt. Einmal kommt es zum Handgemenge zwischen freien Arbeitern und einem Remade mit der Aggression des erst kürzlich Modifizierten. Die anderen Remade zerren ihn rasch zurück und ducken sich nur unter den Schlägen der Normalen. Remade-Frauen bringen den Schwellenlegern das Essen. Judah lächelt sie an, doch ihre Miene bleibt steinern.
    An Zahltagen kommt wie ein Mirakel ein Zug durchs Fenn, das mählich aus der Winterstarre erwacht. Die freien Männer verplempern fast alle ihren Lohn in Fucktown und in den Destillen und Schankzelten. In solchen Nächten geht Judah nicht hinaus. Er liegt in seinem Zelt und lauscht auf das Echo der Schüsse, Prügeleien, die Gendarmen, Gebrüll. Er baut seinen Voxiterator auf und spielt den hauchenden Stiltspear-Gesang. Er überarbeitet seine Aufzeichnungen.
    End o’ the Line ist ein Blatt, das im Arbeitszug gedruckt wird. Gespickt mit Rechtschreibfehlern derb und zotig, macht es mit vulgärer Wortwahl Stimmung für den TRT, der diese Zeitung fördert. Alle Arbeiter lesen es und diskutieren über die schlimmsten Stellen. Zweimal sieht Judah Leute verstohlen andere Magazine lesen.
    Er wandert an der Strecke entlang nach hinten, zurück zum Zug. Er verdingt sich als Schienenleger.
    Judah baut die Strecke. Das Gewicht des Eisens ist unerbittlich. In der flachen Helligkeit fühlt er sich von den Felsen belauert. Jede Schiene wiegt annähernd eine Viertel Tonne, fünfhundert Schienen gehen auf eine Meile. Er lebt nach Zahlen.
    Innerhalb der Kolonnen gibt es keine Vermischung, sie bestehen entweder nur aus

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