Der Eiserne Rat
gedehnt.
Zu seiner Beschämung fühlt Judah sich deprimiert von dem todgeweihten Volk. Er arbeitet, so gut es in der scheußlichen nassen Kälte möglich ist, zeichnet sämtliche Variationen der Stiltspear-Gesänge auf, jedes schwache, missglückte Blaffen, aber die Umgebung bedrückt ihn. Keine Laube im grünen Tann, kein lauschiges Idyll, sondern klamme Erdbehausungen, Stiltspear, die ausziehen, um zu kämpfen, getrieben von den Geistern, die auch sie bald sein werden.
Judah mag nicht zuschauen. Das Ding, das er in sich trägt, bäumt sich auf. Er hat ihre Seele auf seine Wachszylinder gebannt. Er verlässt sie, zum zweiten Mal.
Zurück zum Zug. Er hat sich bewegt. Judah sieht tausend neue Gesichter. Der Schienenstrang hat sich gegabelt. Eine Stadt entsteht. Wie großartig.
Schienen glatt und blank vom Rollen der Räder. Sie verzweigen sich zu halb fertigen Lokschuppen und leeren Nebengleisen, in Höfe, vorbei an den windschiefen Holzwänden der noch im Rohbau befindlichen Stadt, die sie durchschneidet. Eine Strecke stößt in den unwirtlichsten Teil des Fenns vor und endet wie abgeschnitten mitten zwischen den Bäumen.
Ein zweiter Strang verschwindet westwärts. Männer kommen aus ihrer Lichtung; sie tragen tropfende Hämmer, sie tragen Nägel, und sie sind verdreckt und verschwitzt wie nach einer Schlacht. Mit jedem ihrer Atemzüge entstehen und verwehen flüchtige Tücher aus Wasserdampf.
Als er auf die Lichtung tritt, wo Junctiontown entsteht, strampelt Judahs Gutheit glücklich wie ein Baby. Er weiß, er wird bleiben, dass er zurück ist und Teil dessen sein will und nicht als Parasit im Kielwasser schwimmen. Er kam wegen der Interventionen, deren eine das Lied ist. Und dies, dies Schienenlegen im Akkord, ist eine weitere.
Er ist ein Veteran des Bahnbaus, doch Hand angelegt hat er noch nicht. Das Ding in ihm drängelt. Es will, dass er sich diesem Jahrhundertwerk anschließt.
Judah folgt dem Gleis unter den tropfenden Bäumen hervor in die Hügel, und der Stahl ist unerbittlich. Das gelbe Gleisbett wölbt sich narbengleich. Überall wimmelnde Geschäftigkeit. Pferdegespanne, der Geruch von Feuern – Gras, Holz, Braunkohle. Judah geht zwischen Zelten hindurch, sieht Leute auf den Dächern des Ewigen Zugs. Remade und Kakti ziehen Kettenpflüge, um den Boden zu nivellieren. Gendarmen patrouillieren in Gruppen.
Der Ewige Zug kriecht mit winzigen Umdrehungen seiner Räder vorwärts. Geschoben und gezogen von vier Loks, meterhohe, rautenförmige Schornsteine puffen schwarzen Qualm in den Himmel. Sie sind Giganten im Vergleich zu den Lokomotiven der Hochbahn New Crobuzons. Diese größeren Brüder sind mit Kuhfängern bestückt, ihre Scheinwerfer leuchten grell, Insekten tupfen wie Fingerspitzen gegen das Glas. Ihre Glocken tönen wie Kirchenglocken.
Ist man an ihnen vorbei, folgt ein gepanzerter Waggon mit einem schwankenden Geschützturm. Ein Kontor auf Rädern, geschlossene Wagen für Vorräte, einer sieht aus wie ein Salonwagen, der nächste stinkt nach Blut – ein rollendes Schlachthaus – und dahinter ein überhoher Wagen mit vielen Fenstern und mit Talmi überzogen, bemalt mit Symbolen der Götter und Jabbers. Eine Kirche. Vier, fünf scheunenartige geschlossene Güterwagen mit winzigen Türen und mehreren Reihen winziger Fenster, dreistöckige Schlafwagen für so viele Arbeiter, wie eben hineinpassen. Unter ihrem eigenen enormen Gewicht hängen die Wagen in der Mitte durch, was an Hängebauchschweine gemahnt. Es gibt Plattformwagen, offen, gedeckt. Dahinter die Bautrupps. Der Chor der Hämmer.
Momentan befindet man sich in ebenem Buschland. Die Schienenleger beeilen sich, schließen die Lücke zu den Planierern.
Judah ist nur einer von vielen neben dem Zug. Nichts hebt ihn aus der Masse, außer dem Gefühl, dass er wartet. Er ist freudig erregt. Doch Verdruss hängt in der Luft. Er sieht Menschen und Kaktusmänner die Köpfe zusammenstecken und die Furcht der in der Nähe ihrer Pferche angeketteten Remade. Die Vorarbeiter tragen Waffen. Das war früher nicht so.
Viele Meilen voraus sind die Landvermesser, die die Trasse festlegen, wobei sie sich auf Karten stützen, die Weather Wrightby und seine Begleiter angefertigt haben, als der alte Mann selbst noch als Pfadfinder unterwegs war. Hinter ihnen, im Niemandsland zwischen dem Zug und den Kundschaftern, bauen die Planierer das Gleisbett. Und hinter ihnen klöppeln die Brückenaffen ihre fragilen Holzbalkengerüste durch Schluchten und Täler,
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