Der eiserne Skorpion - Roman
kleine Betäubungspistole aus der Säbeltasche und wartete, den Rücken an der vom Krieg zerstörten Mauer.
Das Klacken der Türriegel verhalf ihm zu reichlicher Vorwarnzeit. Er drückte sich die Nebelmaske aufs Gesicht und spürte, wie der Hautbinder sie festmachte. Dann zog er auch die Kapuze der Robe über den Kopf und lauschte. Der Mann, der ihm so hart auf den Fersen war, bewegte sich fast geräuschlos, erzeugte nur das eine oder andere unvermeidliche Knirschen im Schotter. Cormac kam der Gedanke, dass seine Falle hier allzu simpel gestrickt war und für jeden mit der nötigen Ausbildung leicht zu durchschauen. Wie der andere wohl reagierte? Was er wohl tat, wenn er die richtige Ausbildung genossen hatte?
Cormac trat rasch auf die Gasse hinaus, aber wer immer ihm zur Hintertür des Geschäfts hinaus gefolgt war, zeigte sich nicht. So schnell und leise, wie Cormac es vermochte, kehrte er zur Hintertür zurück, sah sich um und entdeckte einen Weg, der links von ihm durch die Ruinen führte. Ja, hätte die Entscheidung an ihm gelegen, wäre sie ebenfalls für den Weg außen herum zu der Stelle ausgefallen, wo Cormac die Wanze entdeckt hatte. Cormac folgte jetzt selbst diesem Weg und behielt dabei alle Stellen unterwegs im Auge, die sich für einen Hinterhalt anboten. Da: Der Schatten einer Wand lag vor ihm auf der Erde, und etwas bewegte sich an ihr entlang. Cormac ging in die Hocke, zielte nach oben und schoss auf eine nur schlecht erkennbare Gestalt.
Die Gestalt, die vom Neurotoxinschrot nur gestreift worden war, stürzte fluchend, landete schwankend in der Hocke und fummelte nach etwas unter ihrem Mantel. Cormac schoss auf die Wand neben der Gestalt, wollte die Neurotoxindosis nicht auf tödliches Niveau steigern. Als die Schrotkugeln platzten und sich ihr Inhalt als erstickendes Gas ausbreitete, stürmte Cormac vor, um dem Mann aus dem Sprung heraus einen Tritt an die Brust zu versetzen. Der Mann krachte an die Wand hinter sich und prallte davon ab, woraufhin Cormac ihm einen Hieb an die Schläfe versetzte und sein Gegner wie ein Sandsack zu Boden krachte.
Der Mann, den man auf seine Spur angesetzt hatte, war jung und schien nicht älter als Cormac selbst, das Gesicht faltenfrei und sommersprossig, das Haar rot. Er hatte sich gut gehalten, war schnell und gefährlich ans Werk gegangen, aber nicht wirklich ein tödlicher Gegner gewesen. Anscheinend war der junge Mann ein Rekrut wie Cormac, allerdings einer, der in Spionage ausgebildet wurde. Man hatte die Möglichkeit, dass Cormac an Carls Verrat beteiligt gewesen war, in ihrer Bedeutung herabgestuft und war zu dem Entschluss gelangt, ihn nur im Auge zu behalten. Man hielt ihn nicht für wichtig oder gefährlich genug, um die wertvolle Zeit eines echten Agenten zu beanspruchen.
Schnell sprühte sich Cormac einen undurchdringlichen Überzug auf die Hände, bückte sich neben den Mann und durchsuchte ihn. Es musste nach einem Raubüberfall aussehen, und er musste sich plausibel als unschuldig ausgeben können. Das gesamte Geld wanderte in seine eigenen Taschen, zusammen mit anderen Wertgegenständen wie einem Ausweis und einem kleinen Palmtop. Einen goldenen Fingerring und einen goldenen Ohrring beließ er an Ort und Stelle, da kein Einheimischer solche Dinge stehlen würde – hier, wo dieses Metall seit Einrichtung der Kolonie in industrietauglichen Mengen gefördert wurde. Er stockte, als er die Schmalpistole zur Hand nahm, die der junge Mann zu ziehen versucht hatte. Ihm gefiel die Balance der schmalen, leicht zu versteckenden Waffe. Es war die Waffe eines Agenten, aber auch anderer für ihre ruchlosen Taten. Sie wanderte zusammen mit einigen Ersatzladestreifen in seine eigene Tasche. Später, sobald der Einsatz abgeschlossen war, würde er diese Sachen zurückgeben, aber derzeit kam Glaubwürdigkeit vor allem anderen. Er überlegte, ob er den Mann in eine stabile Seitenlage bringen sollte – betäubte Menschen waren schon am eigenen Erbrochenen erstickt –, aber damit hätte er Spähern verraten, dass er sich um ihn sorgte, also ließ er den Mann so zurück, wie er dort lag, und ging weiter.
Jetzt musste er in die Kneipe Der Maschinenraum gehen, denn die entsprechende kurze Anweisung dazu hatte er erhalten, als er den Komcode benutzte, aufgefunden in einer Datei in Carls Palmtop, die zwischen den Waffenjustierungsprogrammen versteckt war. Wem auch immer Cormac dort begegnete – die Stimme war elektronisch verfälscht gewesen – würde sich ihm als
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