Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der eiserne Skorpion - Roman

Der eiserne Skorpion - Roman

Titel: Der eiserne Skorpion - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
viele neue Aufzeichnungen ähnlicher Ereignisse vor, und weitere trafen täglich ein. Cormac übertrug die Aufnahme in den Speicher und rief eine andere auf, die eine Schlacht am Boden zeigte, wobei Moskito-Automatikkanonen in eine Reihe von Prador-Zweitkindern hämmerten. Es war eine blutige, aber zufriedenstellende Szene.
    Sogar für Cormac war erkennbar, dass die holografischen Drei-D-Karten der Polis inzwischen ansehnliche Stücke zurückgewonnenen Territoriums zeigten. Und neue Geschichten kursierten über Planeten, die seit vor seiner Geburt von den Prador besetzt und nicht erreichbar gewesen waren, und er verfolgte sie mit der vollkommen morbiden Neugier eines Zehnjährigen.
    Da jeder ECS-Soldat mit einem Verstärker mühelos Abertausende Stunden sensorischer Daten aufzeichnen und direkt in die Netze übertragen konnte, sobald er sich in Reichweite eines Servers aufhielt, war es zwar nicht direkt unmöglich für die KIs, die Nachrichten unter Verschluss zu halten, wohl aber ein sinnloses Unterfangen. Sie hielten es für sinnvoller, dass die Leute erfuhren, was tatsächlich geschah, statt dass die Gerüchteküche das Vakuum füllte. Die Zensur, die seit unvordenklichen Zeiten stets in der Hand des Endverbrauchers gelegen hatte, wurde zumeist von Eltern benutzt, um zu filtern, was ihre Kinder sich ansahen. Da jedoch der Zugriff auf Informationen universell mühelos möglich war, hatte es sich zu fast so etwas wie einem Ritus des Erwachsenwerdens für die meisten Kinder entwickelt, dass sie versuchten, elterliche Blockaden zu umgehen. Cormac hatte die Zensurprogramme Hannahs schon lange in eine Schleife gelegt und betrachtete sich inzwischen alles, was er sehen wollte.
    Es schien, dass sich erwachsene Prador auf diesen Planeten wie Feudalherren inmitten der eigenen Art niedergelassen hatten, dass die Stellung der Menschen hingegen kaum besser war als die von Vieh in einem früheren Zeitalter der Menschheitsgeschichte. Cormac betrachtete von Drohnen gemachte Aufnahmen von riesigen Lagern, wie sie auch bei Völkermorden unter Menschen existiert hatten – wobei ihm hier Leichen zu fehlen schienen, aber nicht aus dem Grund, weil dort wenig Menschen gestorben wären, sondern weil die Wächter dieser Lager die Leichen einfach verspeisten. Allerdings fand er auch eine Aufnahme, gesendet von ECS-Bodentruppen. Sie stammte aus einem gewaltigen Schlachthaus, in dem endlose Reihen ausgeweideter Menschenleichen an Haken hingen. Er sah auch erste Bilder von befreiten Gefangenen – verfettet und kaum in der Lage, das eigene Gewicht zu schleppen, da die Prador sie wie Schlachtkälber gehalten hatten. Viele dieser Gefangenen kannten die Polis nur aus Geschichten, überliefert von ihren Eltern, und hatten nie selbst etwas anderes gekannt als die Lager und die Herrschaft der Prador.
    »Irgendwas Neues?«, fragte Osiah.
    Cormac blickte vom P-top auf und sah seinen Freund an. Osiah arbeitete gerade an einem Datenpaket, das er seiner großen Familie nach Hause schicken wollte – eine Kombination aus Audio-, Video- und Holografieaufnahmen mit erläuternden Texten, die jederzeit abrufbar waren, während man die Aufnahmen verfolgte. Er wollte Dokumentarist werden, und in dem Jahr, das Cormac ihn inzwischen kannte, schien es keinen Augenblick gegeben zu haben, in dem Osiah nicht etwas aufnahm oder seine Aufnahmen bearbeitete.
    »Du kannst selbst nachsehen«, antwortete Cormac.
    »Aber ich möchte, dass du es mir erzählst – gib mir nicht die Nachrichten, sondern die Reaktion auf die Nachrichten.«
    Cormac schüttelte den Kopf und klappte den P-top zu. Er war inzwischen gelangweilt und sprudelte förmlich vor Energie, was gut war, da bald seine Ausbildungsstunde in Schwerelosigkeit begann, gewöhnlich gefolgt von einem Handballspiel in derselben Turnhalle.
    Die Ausbildung in Schwerelosigkeit, das Erlernen der Sicherheitsprotokolle auf Raumstationen und -schiffen waren die Hauptgründe für den Besuch der Orbitalschule, aber ihre Tage waren auch erfüllt von vielen weiteren Unterrichtsfächern, die alle Aspekte außerplanetarer Existenz abdeckten. Cormac stellte fest, dass seine Tauchausflüge in Tritonia eine gute Vorbereitung für die meisten Disziplinen gewesen waren. Er war gut in Schwerelosigkeit, im Umgang mit Raumanzügen und im größten Teil des Sicherheitszeugs, das sich um Vakuum und Druckveränderung drehte, denn eine Menge davon galt auch beim Tauchen. Weniger gut schnitt er in den Fächern Sonnenstrahlung, Feldtechnik und

Weitere Kostenlose Bücher