Der eiserne Skorpion - Roman
den zurückliegenden vier Tagen hatte er viel gelernt. Auf jeden Fall waren da die präzisen Einzelheiten zu nennen – zum Beispiel, welche Getränkemarken in zerbrechlichen Flaschen verkauft wurden, die man an einer Tischkante zerschlagen und einem Gegner ins Gesicht rammen konnte –, aber vor allem ging es um die innere Einstellung. Alles war als Waffe zu gebrauchen, von der eigenen Spucke bis hin zu Strohhalmen, und stets war es besser, wenn man die Initiative übernahm: Falls es aussah, als könnte eine Lage zur Gewalt ausarten, dann sollte man lieber selbst der sein, der mit der Gewalt anfing. Noch etwas anderes hatte er gelernt: Der Unterschied zwischen der Emulierung des Menschseins durch einen Golem und dem eigentlichen Menschsein war weniger klar definiert, als er hatte glauben wollen. Crean schwitzte und roch nach Frau, und wenn er einen Ringkampf mit ihr austrug, fiel es ihm manchmal schwer, sich weiter auf die Kampftechnik zu konzentrieren.
Cormac holte langsam und tief Luft. Er brauchte eine Dusche, aber als Erstes schaltete er den Kabinenmonitor ein und starrte auf den Planeten, über dem die Sadist auf eine Umlaufbahn gegangen war. Anscheinend hatten die über den ganzen Friedhof verstreuten Polis-Agenten den Befehl erhalten, nach dem Leichtgutfrachter Ausschau zu halten, mit dem Carl hergekommen war, und man hatte das Schiff hier landen gesehen. Cormac wollte sich gerade vom Schiffsserver Einzelheiten zu diesem Planeten holen, als jemand an seine Tür klopfte.
»Herein«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
»Wie geht es deinem Fuß?«
Cormac drehte sich zu Crean um. Sie trug nach wie vor das hautenge, tief geschnittene Top und die ähnlich eng anliegenden Leggings von vorhin, als sie ihn in den Nuancen des Kickboxens mit auf den Rücken gefesselten Händen unterrichtete. Er hatte sich den Fuß an ihrer Hüfte gebrochen.
»Wieder zusammengeschweißt, tut aber noch ein bisschen weh«, antwortete er. »Ich würde dich ja fragen, wie es deiner Hüfte ginge, wenn deine Knochen denn brechen könnten und du auch nur blaue Flecken bekommen könntest.«
»Damit«, und sie hob einen Finger, »hast du nur zur Hälfte Recht. Sieh mal.« Sie packte den Saum ihrer Leggings und zog sie herunter, um die Hüfte freizulegen, womit sie nebenbei auch die Seite des Schambeins und das ordentlich gewachste Schamhaar traditionellen brasilianischen Stils zeigte – aber war es überhaupt gewachst? Cormac wusste nicht, ob synthetisches Golemhaar wuchs. Der Gedanke, Golems könnten sich wachsendes Haar wünschen, erschien ihm verrückt, aber andererseits schien auch merkwürdig, dass sie den Wunsch hatten, dieses ganze fehlerhaft Menschliche nachzuahmen. Erst einen Augenblick später widmete er sich dem, was sie ihm zu zeigen vorgab: einen sich ausbreitenden blauen Fleck an der Hüfte.
»Tut das weh?«, fragte er leicht stockend. Er konnte einfach nicht übersehen, dass ihre Brustwarzen jetzt entschieden gut zu sehen waren, anders als zu dem Zeitpunkt, an dem sie seine Kabine betrat. Steuerte sie das bewusst, oder lief ihr Emulationsprogramm unterbewusst? Wie viel Absicht steckte hinter irgendetwas von dem, was sie gerade tat? Dann fiel ihm ein, dass Männer sich diese Fragen oft auch bei Frauen aus Fleisch und Blut stellten.
Sie blickte auf. »Ja, es tut weh.«
»Aber das bräuchte es nicht.«
»Und in welcher Hinsicht ist das bei dir anders?«
Das stimmte. Cormac hätte seine Fußschmerzen gar nicht auszuhalten brauchen, und er kannte viele Soldaten, die sich schmerzsteuernde Systeme im Körper hatten installieren lassen. Tatsächlich hätte er die Schmerzempfindung über den Verstärker steuern können, aber er hatte sich mit den entsprechenden Funktionen noch nicht vertraut gemacht. Er nickte bestätigend und war richtig enttäuscht, als Crean den Saum der Leggings wieder hochzog. Sie kam näher, stemmte die Hände in die Hüften und blickte in sein Gesicht hinauf.
»Du hast ein bisschen Probleme mit Golems, nicht wahr?«, deutete sie an.
»Im Grunde keine Probleme ...«
»Aber wir sind nun mal Maschinen?«
»Ja ...«
»Und du nicht?«
»Na ja ...«
»Ich wurde von einer KI programmiert, die den Verstand eines Menschen als Unterprogramm fahren könnte«, sagte sie. »Mein Verstand arbeitet nicht im Mindesten weniger menschlich als deiner, nur weil seine physische Substanz eine Art Speicherkristall ist. Ehrlich, Cormac, hätte man es dir nicht verraten, dann hättest du nie herausgefunden, dass ich ein Golem
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