Der eiserne Thron
ist sie schon lange vor
Beginn der eigentlichen Zeremonie stockbetrunken. Mach dir
keine Sorgen, meine Liebe. Wir werden eine Gelegenheit finden, zusammenzusein; wir müssen nur vorsichtig sein. Sehr vorsichtig. Niemand darf je von unserer Liebe erfahren,
Evangeline. Ich weiß, du hoffst, daß sich die Dinge zwischen
den Clans eines Tages ändern, aber das werden sie nicht.
Wenn sie etwas von uns erfahren, bricht ein Krieg aus.«
»Und was noch schlimmer ist«, sagte Evangeline, »wir
werden uns nie wieder sehen.«
Finlay nahm seine Geliebte in die Arme und verschloß ihren
Mund mit einem langen Kuß. Lange Zeit standen beide einfach nur da, und klammerten sich aneinander wie Ertrinkende,
so fest, daß keine Kraft der Welt je imstande gewesen wäre,
sie zu trennen.
Die politisch sensibelste Hochzeit des Jahres mit den am wenigsten zusammenpassenden Brautleuten fand in einem Ballsaal des Wolf-Clans statt. Unter Berücksichtigung des komplizierten Geflechts aus Intrigen, Falschheit und Blutrache,
das den Clan der Feldglöcks mit dem der Shrecks verband,
war das Gebiet des Wolf-Clans das neutralste Territorium, das
sich nur irgendwie finden ließ. Beide Familien lagen seit langem im Streit mit den Wolfs, aber im Augenblick fanden wenigstens keine offenen Kampfhandlungen statt. Sie waren
sicher alles andere als Verbündete, und sie würden höchst
wahrscheinlich auch nie Freunde sein, aber es war immer
noch besser, sich mit seinen Feinden einzulassen und wachsam zu sein, als mit Freunden, die sich unvermittelt und unerwartet gegen einen wenden konnten. Also hatte man sich
auf den Wolf-Clan als Gastgeber geeinigt, einen horrenden
Preis gezahlt und das Versprechen abgeben müssen, sich anständig zu benehmen. Trotzdem hatten die Wolfs noch eine
ganze Kompanie zusätzlicher Wachen aufgestellt.
Die beiden Familien brachten jede für sich eine kleine Armee von Sicherheitsleuten, Leibwächtern und sonstigen Beschützern mit, zusammen mit einer weiteren, nicht ganz so
kleinen Armee von nahen und fernen Verwandten, Schranzen
und Kriechern. In den oberen Gesellschaftskreisen war das
persönliche Gefolge in der Öffentlichkeit von vitaler Bedeutung. Es zeigte die Macht einer Familie. Es ging nicht an, daß
ein Feind auf die Idee kam, ein Familienoberhaupt könnte
keine Loyalität unter seinen Verwandten und Verbündeten
einfordern. Es wäre nicht … gesund. Außerdem liebten die
Familien eine gute Schau.
Der Ballsaal selbst war groß und sehr prunkvoll eingerichtet. Wände, Boden und Decke waren dekoriert bis an die
Grenze des Erträglichen, aber das war keineswegs unüblich.
Silberne und goldene Säulen und Pfeiler, verziert mit Efeuranken, die aus Jade geschnitzt worden waren, stützten die
Decke. Der Boden war ein einziges großes Marmormosaik
aus den Porträts bedeutender Wolf-Vorfahren und Bildern
wichtiger Siege. Jedes einzelne Plättchen maß nur wenige
Zentimeter im Quadrat und war mit Sicherheit bereits mehr,
als sich eine gewöhnliche Familie hätte leisten können. Die
Wände zeigten sich ständig verändernde holographische Szenerien, die von den Hauslektronen willkürlich aus jedem ihnen passend oder modisch erscheinenden Exterieur ausgesucht wurden. Die Decke zeigte ein Hologramm des Nachthimmels und große, wie Diamanten glänzende Sterne auf
samtschwarzem Untergrund. Aber nur wenige Gäste hatten
Interesse an dem zur Schau gestellten Reichtum. Sie waren
mehr damit beschäftigt, sich gegenseitig zu beobachten.
Finlay Feldglöck und seine Frau waren pflichtschuldig anwesend. Sie waren beide nicht besonders glücklich darüber.
Die beiden Eheleute hatten bereits in ihrer Hochzeitsnacht
einen ganz gewaltigen Krach gehabt, und seither hatte sich
ihre Beziehung rapide verschlechtert. Sie hatten der vereinbarten Hochzeit nur nach Androhung schlimmster Repressionen und nach ein paar ziemlich ernsten Drohungen seitens
ihrer Eltern zugestimmt. Sie hätten sich wahrscheinlich schon
lange gegenseitig umgebracht, wenn sie eine Möglichkeit gefunden hätten, ungestraft davonzukommen. Aber die Imperialen Esper hatten dem Mord an Familienmitgliedern jegliches
Vergnügen genommen, und so bestand die Ehe der beiden
unter Protest fort.
In der Zwischenzeit gingen sie sich soweit wie möglich aus
dem Weg und trafen sich lediglich bei offiziellen Angelegenheiten, die ihre Gegenwart erforderten. Wie zum Beispiel diese Hochzeit hier. Das einzige, was sie gemeinsam hatten, waren ihre beiden
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