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Der eiserne Thron

Der eiserne Thron

Titel: Der eiserne Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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es zu besiegen und in die Knie zu zwingen galt. Möglicherweise hatte sie
irgendwann einmal etwas über Takt gehört, aber wenn, dann
war es schon lang wieder in Vergessenheit geraten. Jedenfalls
schien sie sich niemals mit derartigen Konventionen zu belasten. Wäre sie ein Mann gewesen, ihr loses Mundwerk hätte
ihr Hunderte von Duellen eingetragen. Aber so blieb ihren
Gegnern nichts weiter übrig, als darauf zu hoffen, daß zumindest in dieser Beziehung eines Tages Gleichberechtigung eingeführt werden würde, damit Menschen wie Adrienne Feldglöck endlich zum Schweigen gebracht werden konnten.
    In der Hand hielt sie ein großes Glas, das ursprünglich unanständig voll gewesen war. Aber während sie ihre Zuhörerinnen mit ihrem durchdringenden Organ einschüchterte,
nahm sie große Schlucke daraus, und Gott mochte den armen
Dienern gnädig sein, wenn sie nicht rechtzeitig zur Stelle waren und ihr nachschenkten. Sie ließ den Blick über den herrlichen Ballsaal gleiten und schüttelte angewidert den Kopf.
    »Mein Gott, dieser Raum ist eine Müllhalde! Ich habe schon
lebhaftere Begräbnisse gesehen, und erst recht bessere Verpflegung! Ich würde den Wein glatt in die Toilette spülen,
aber ich könnte schwören, daß mir schon jemand zuvorgekommen ist. Und seht Euch nur den Bräutigam an! Ich kenne
Leute, die bei ihrer eigenen Beerdigung ein fröhlicheres Gesicht gemacht haben als dieser arme Bursche. Und erst die
Braut! Sie ist noch ein Kind! Wahrscheinlich muß sie in der
Hochzeitsnacht ihre Schulaufgaben nachholen. Hat sich irgendwer die Mühe gemacht und das Kind auf die Seite genommen, um es über das Leben aufzuklären? Zum Beispiel,
daß sie immer ein Kontrazeptivum nehmen soll, oder daß sie
sich immer alles schriftlich oder zumindest vor Zeugen geben
lassen soll? Seht nur hin! Das arme Ding sieht so verwirrt aus
wie eine blinde Lesbierin auf einem Fischmarkt! Vielleicht
bringt ein guter Beischlaf ein wenig Farbe auf ihre blassen
Wangen. Aber glaubt ja nicht, daß dieser lange schlaffe Sack
Reis dort, der ihr zukünftiger Mann wird, es ihr vernünftig
besorgen könnte.«
    Und so weiter und so weiter. Adrienne versprühte noch eine
ganze Weile ihr Gift und machte nur Pausen, wenn es absolut
unumgänglich war – wenn sie atmen oder trinken mußte oder
eine der Frauen anfunkelte, die scheinbar nicht aufmerksam
genug zuhörte. Finlay bewunderte sie aus sicherer Entfernung.
Er wußte einen guten Auftritt durchaus zu schätzen, und
Adrienne schien an diesem Nachmittag in Höchstform zu
sein. Glücklicherweise hatte er nach einigen Jahren verbaler
Überfälle aus kürzester Distanz eine gewisse Immunität gegen
die Tiraden seiner Frau erlangt. Andere hatten weniger Glück.
Mehr als eine der Zuhörerinnen Adriennes erweckte den unzweifelhaften Eindruck, wehmütig darüber nachzudenken,
wie man dieser Person am besten etwas wirklich Unangenehmes (wenn auch vielleicht nicht Tödliches) in den Wein
schütten könnte, wenn sie einen Moment unachtsam wurde.
    Finlay hatte vollstes Verständnis für derartige Gedankengänge. Adriennes Stimme besaß den angenehmen Klang eines
Luftschlags und war ungefähr genauso willkommen. Wer
auch immer Partys oder andere gesellschaftliche Ereignisse
und Treffen arrangiert, zeigte ungewöhnlichen Einfallsreichtum, wenn es darum ging, Begründungen zu erfinden, um
Adrienne nicht einladen zu müssen. Alles war schon vorgebracht worden: Seuchen, soziale Aufstände, die Pest – umsonst. Es spielte keine Rolle. Irgendwann stand Adrienne vor
der Tür, und da sie durch ihre Ehe mit Finlay eine Feldglöck
war, konnte man sie unmöglich abweisen. Sie hatte ein außerordentlich dickes Fell. Und was an dieser Stelle nicht verschwiegen werden darf – je mehr Aufmerksamkeit man
Adrienne widmete, desto mehr geriet Finlay selbst in den Hintergrund. Was ihm genaugenommen ganz hervorragend in den
Kram paßte.
    Er ließ seine Blicke durch den überfüllten Ballsaal schweifen und musterte die vertrauten aristokratischen Paradiesvögel
und all die schon fast rituellen Tänze aus Intrige und Verführung, Politik und Klatsch. Überall sah er leuchtende Gesichter
und strahlend glänzende metallische Haare und Kleider, die
bis an die Grenzen des modischen Geschmacks designt waren.
Finlay kamen sie vor wie bunte Spielzeuge mit verborgenen
scharfen Krallen. Die Gesichter besaßen keine Tiefe, keine
Leidenschaft, keine Hingabe an irgendwas außer dem Vergnügen des

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