Der eiserne Thron
war ein Feldglöck, und
sie war eine Shreck. Sie hatten einfach Todfeinde zu sein, bis
an ihr Ende und noch darüber hinaus.
Nur, daß die Sache nicht so einfach war. Sie hatten sich auf
einem Maskenball kennengelernt; keiner hatte gewußt, wer
der andere war, bis es viel zu spät gewesen war, und sie hatten
sich heftig ineinander verliebt. Es geschah so schnell, doch es
änderte ihrer beider Leben für immer. Und jetzt lebten sie nur
noch für die kurzen ungestörten Augenblicke, die sie sich davonstehlen konnten, immer in dem Bewußtsein, daß eine Entdeckung Schande und wahrscheinlich sogar den Tod über sie
bringen würde. Manche Skandale waren so unmöglich, daß
sie einfach nicht toleriert werden durften.
Finlay hielt Evangeline in seinen Armen und vergrub das
Gesicht in ihrem Haar. Sie roch so unglaublich gut. Sie schien
ihm so klein und verletzlich, so sehr der Gnade gewaltiger,
zermahlender Kräfte ausgeliefert, die sich nicht im mindesten
um sie scherten. Wenn er gekonnt hätte, er wäre lieber davongerannt und hätte sein Leben irgendwie voller Schmerz und
Trauer zu Ende gelebt, als sie in Gefahr zu bringen, aber das
konnte er genausowenig wie sie. Nicht mehr. Sie war alles,
wovon er je zu träumen gewagt hatte, und sie zu verlieren
hätte bedeutet, sein Herz herauszureißen und wegzuwerfen.
Sie kuschelte sich erneut an ihn wie ein kleines Kind oder ein
verängstigtes Tier, und nach und nach verlangsamte sich ihrer
beider Atem.
»Das Risiko hierherzukommen ist einfach zu groß für dich«,
murmelte er in ihr Ohr. »Man könnte dir folgen.«
»Niemand ist mir gefolgt«, sie blickte nicht zu ihm hoch.
»Ich habe einen Esper benutzt, um sicherzugehen. Und wer
würde mich in dieser Verkleidung schon erkennen? Hier gibt
es so viele Barmherzige Schwestern , die sich um die Verletzten und die Sterbenden kümmern. Niemand erinnert sich je an
das Gesicht einer Nonne. Ich mußte einfach kommen, Finlay.
Ich hörte von der Kreatur, die sie auf dich gehetzt haben. Ich
mußte sicher sein, daß dir nichts zugestoßen ist.«
»Wie ich dir immer wieder sage: Es gibt nichts, weswegen
du dir Sorgen machen müßtest. Ich bin der Beste, mein Liebling. Ich war noch nicht einmal ernsthaft in Gefahr heute.«
»Ja, das sagst du immer wieder, aber jeder kann einmal einen schlechten Tag erwischen oder eine falsche Bewegung
machen. Ich wünschte …«
»Ich weiß. Aber ich kann nicht damit aufhören. Ich brauche
es genausosehr, wie ich dich brauche. Es ist ein Teil dessen,
was mich ausmacht. Ich könnte nicht einfach damit aufhören
und noch immer der Mann sein, den du liebst. Evangeline …«
»Ich weiß es selbst, Liebster. Es ist nur, daß ich mich so um
dich ängstige. Ich hätte nie geglaubt, daß einmal jemand wie
du in mein Leben treten könnte, jemand, der mir so viel bedeutet. Ich hasse alles, was zwischen uns kommen könnte.«
»Hör auf. Es ist unnötig.« Finlay schob sie sanft von sich
und blickte in ihr Gesicht. Evangelines dunkle Augen umklammerten ihn wie eine eiserne Faust. »Du bist immer in
meinen Gedanken, meine Liebe. Du bist immer bei mir. Ich
habe sogar mein Schwert auf deinen zweiten Vornamen getauft.«
»Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich dir dafür bin«,
entgegnete Evangeline trocken. »Andere Liebende schenken
sich Blumen oder Schmuck, und nach mir wird ein Schwert
benannt.«
»Es ist ein gutes Schwert.«
»Das macht natürlich einen Unterschied.« Ihr Gesicht umwölkte sich düster, und sie zog sich aus seinen Armen zurück.
»Wie geht es deiner Frau, Finlay?«
Er blinzelte unsicher. »Gut, so weit ich weiß. Wir sehen uns
nicht häufiger als unbedingt notwendig. Sie lebt ihr Leben,
und ich lebe meines. Solange wir uns nicht gegenseitig über
den Weg laufen, geht alles glatt. Warum fragst du, meine
Liebste? Du weißt, daß ich sie nie geliebt habe, genausowenig
wie sie mich. Es war eine arrangierte Ehe, die einen Handel
bekräftigen sollte. Ich würde mich augenblicklich von ihr
scheiden lassen, wenn es einen Weg für uns beide gäbe, zusammen zu sein. Warum kommst du ausgerechnet jetzt mit
diesem Thema?«
»Weil du und ich auf dieser Hochzeit heute nachmittag sein
werden. Unsere Anwesenheit ist erforderlich. Aber was ist mit
ihr? Was ist mit Adrienne? Wird sie ebenfalls anwesend
sein?«
»Ich schätze ja. Aber wie ich die liebe Adrienne kenne, wird
sie ihre Nase sofort nach ihrem Eintreffen in die Bowleschalen stecken. Mit ziemlicher Sicherheit
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