Der eiserne Thron
vereint
werden, bietet sich vielleicht eine Gelegenheit, daß wir uns
häufiger sehen«, murmelte Finlay.
»Das wäre höchst erfreulich«, erwiderte Evangeline. »Ich
bin sicher, daß wir einige Gemeinsamkeiten entdecken könnten.«
»Gerade im Augenblick habt Ihr jedenfalls einen steifen
Drink gemeinsam, und ich würde glatt dafür sterben!« sagte
eine vertraut schrille Stimme. Evangeline mußte sich nicht
erst umdrehen, um zu wissen, wer sich da näherte. Es gab nie
irgendeinen Zweifel an der Gegenwart Adrienne Feldglöcks.
Evangeline und Finlay tauschten einen letzten verstohlenen
Blick, dann wandten sie sich Finlays berüchtigter Gemahlin
zu. Adrienne streckte demonstrativ ihr leeres Glas vor, und
Finlay füllte es bis zum Rand mit Brandy. Sie nahm einen
tiefen Zug und nickte anerkennend.
»Eine der wenigen Tugenden, Finlay. Du bist eitel und
oberflächlich und hast absolut keine Ahnung, wie man eine
Dame behandelt, aber du verstehst etwas von dem Gesöff.
Wenn nicht dein Weinkeller wäre, hätte ich mich bereits vor
Jahren von dir scheiden lassen. Evangeline, meine Liebe! Wir
haben seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen! Ihr
tragt eine sehr … bemerkenswerte Garderobe. Fühlt Euch frei,
jederzeit zu mir zu kommen und um Rat zu fragen, wenn Ihr
Euch in modischen Dingen unsicher seid.« Sie streckte Finlay
das Glas entgegen, damit er es nachfüllte, und ihr Mann gehorchte kommentarlos. Adriennes Trinkfestigkeit war beinahe
legendär, selbst an einem Hof, der für seine Exzesse bekannt
war. Sie grinste ihren Gatten über den Rand des Glases hinweg gemein an. »Ein guter Brandy, Finlay. Ich mag es, wenn
mein Gesöff ist wie meine Liebhaber: stark, geheimnisvoll
und verlockend.«
»Also wirklich«, beschwerte sich Finlay. »Ich möchte das
nicht hören.«
»Verdammt richtig, Finlay. Das glaube ich gern«, erwiderte
Adrienne. Sie wandte sich zu Evangeline um, die sich mit
Gewalt dagegen wehrte, zusammenzuzucken. »Es wird allmählich Zeit, meine Liebe, daß auch Ihr Euch nach einem
Gemahl umseht. Euer Vater nimmt viel zuviel von Eurer Zeit
für sich in Anspruch. Ehemänner können ziemlich langweilig
sein, sie sind lästig wie ein ständiger Schmerz im Hintern,
aber wenn Ihr in der Gesellschaft vorankommen wollt, benötigt Ihr einen. Ich persönlich möchte nicht wieder unverheiratet sein, ganz besonders nicht, wenn es darum geht, wer die
Zeche bezahlt. Aber wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt?
Ich muß unbedingt ein ernstes Wort mit der Braut und dem
Bräutigam reden. Irgendwer muß ihnen schließlich die Augen
über das Leben öffnen.«
»Und wer könnte das besser als du«, murmelte Finlay leise
…
… doch nicht leise genug. Adrienne grinste ihn an. »Recht
hast du.«
Sie bahnte sich ihren Weg durch das Gedränge, und vor ihr
öffnete sich wie von Geisterhand eine schmale Gasse. Ihre
Beute hatte nicht die geringste Ahnung, was sich da zusammenbraute. Robert Feldglöck, der Bräutigam, wurde im Augenblick von den Brüdern seines Vetters Finlay, William und
Gerold Feldglöck, aufgemuntert und ermutigt. Roberts Vater
war der jüngere Bruder des alten Feldglöck gewesen und erst
vor drei Monaten bei einem Unfall gestorben, über den die
Familie noch immer nicht sprach. Hauptsächlich, weil es so
peinlich war. Um Robert und seinen Zweig der Familie davor
zu bewahren, daß sie zum Gespött der Leute wurden, hatte
man hastig eine Heirat arrangiert, die zwei Fliegen mit einer
Klappe schlagen sollte: Robert würde in die Gesellschaft eingeführt und gleichzeitig die Lücke zwischen den Felglöcks
und den Shrecks geschlossen werden. Und wenn etwas dabei
schiefgehen sollte – nun, Robert war zur Zeit das entbehrlichste Mitglied der gesamten Familie.
Er war durchschnittlich groß und so durchtrainiert, wie man
durch viele Jahre in der Kadettenanstalt nur sein konnte. Mit
siebzehn war Robert alt genug, um zu heiraten, aber zu jung,
um sein Veto dagegen einzulegen. Er versuchte noch immer,
sich an den Gedanken an die bevorstehenden Veränderungen
zu gewöhnen. Im einen Augenblick noch waren die Shrecks
seine Todfeinde gewesen, die bei jeder Gelegenheit bekämpft
werden mußten, und nun heiratete er eine Frau aus diesem
Clan. Aber Robert war alt genug, um etwas von Politik zu
verstehen und seine Pflichten gegenüber der Familie zu erkennen. Ganz besonders, weil Gerold und William Feldglöck
nicht müde wurden, ihm alles genau zu erklären.
William
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