Der eiserne Thron
freizügig Rat, aber
was mich als einziges wirklich interessiert ist, wie ich diesem
Schlammassel entkommen kann.«
William lächelte und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid,
Junge, aber das steht nicht zur Debatte. Die Pflicht ruft. Der
Feldglöck erteilt die Befehle, und wir haben ihm zu gehorchen. Wo kämen wir sonst hin? In ein einziges verdammtes
Chaos, und all die anderen Familien würden sich wie Haie auf
uns stürzen, die Blut gerochen haben. Oder geschmeckt? Das
kann ich mir nie merken! Aber egal. Wenn es dir ein wenig
hilft – ich habe mich vor meiner eigenen Hochzeit genauso
gefühlt wie du jetzt. Und ich schätze, ich habe noch Glück
gehabt.«
»Mach nur weiter so, und wir müssen eine Bullenpeitsche
benutzen, um ihn vor den Altar treiben«, ertönte eine wohlbekannte, schrille Stimme.
Robert und William Feldglöck wandten de Köpfe um und
sahen sich Adrienne Feldglöck gegenüber, lebensgroß und
doppelt so penetrant. William zuckte merklich zusammen,
und er dachte noch über die richtigen Worte nach, um Robert
und Finlays Frau einander vorzustellen, als Adrienne schon
einen Schritt vortrat, ihn zur Seite schob und Robert anlächelte.
»Hallo, Robert. Ich bin Adrienne, Finlays Frau. Ich bin diejenige, vor der dich wahrscheinlich jeder schon einmal gewarnt hat, und du tust gut daran, jedes einzelne Wort zu glauben. Meist versuchen sie, mich von öffentlichen Auftritten
abzuhalten, weil ich sie immer wieder in peinliche Verlegenheit bringe. Ich muß schon sagen. Ich habe mich in meinem
ganzen Leben noch nie peinlich oder verlegen gefühlt! Aber
zu deinem großen Glück konnten sie mich nicht von einer so
wichtigen Hochzeit fernhalten. Los, du kommst mit mir, mein
Lieber. Da ist jemand, den ich dir unbedingt vorstellen möchte.«
»Äh …«, sagte Robert.
Adrienne rauschte los, und Robert hielt sich zögernd einen
Schritt hinter ihr. »Wolltest du etwas sagen, mein Lieber?
Nein? Dachte ich mir’s doch. Los, komm schon, wir haben
nicht viel Zeit.«
Adrienne nahm ihr Opfer mit einem Griff wie ein Schraubstock an der Hand und zog es hinter sich her durch das Gedränge. Robert blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen,
jedenfalls schien es ihm das sicherste, wenn er seine Hand
unbeschädigt zurück haben wollte. Sie erreichten den Rand
der Versammlung, und überall folgte ihnen empörtes Getuschel. Dann zog Adrienne ihn durch eine Seitentür in einen
ruhigen Wohnraum, der mit ziemlich alten und unvorstellbar
häßlichen Antiquitäten vollgestopft war. Und dort saß, wie
eine vereinzelte Blume in einem Garten voller Gestrüpp, Letitia Shreck, seine zukünftige Braut. Sie sprang auf, als Adrienne mit ihrem Opfer durch die Tür gestürmt kam, und blieb
dann mit züchtig niedergeschlagenen Augen ruhig stehen. Sie
war sechzehn Jahre alt und mehr als hübsch. Vieles deutete
darauf hin, daß sie zu einer wunderschönen Frau heranwachsen würde. Das lange Brautkleid ließ sie sehr zerbrechlich
erscheinen, beinahe wie eine Porzellanfigur, die ganz alleine
auf einem breiten Regal stand. Robert blickte erst zu ihr und
dann zu Adrienne, und auf seinem Gesicht stand sein Erschrecken geschrieben.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Adrienne barsch. »Es ist nicht
üblich, daß Brautleute sich vor der Zeremonie zu sehen bekommen. Aber sie werden diesmal darüber hinwegsehen, weil
sie Angst haben, ich könnte ihnen vor allen Leuten eine Szene
machen. Ich kann sehr gut sein, wenn es um eine Szene geht.
Egal. Ich habe euch beide zusammengebracht, damit ihr reden
könnt, also fangt an. Ich werde an der Tür Wache stehen. Ihr
habt ungefähr zwanzig Minuten, bevor sie kommen und euch
vor den Altar zerren, also macht das Beste daraus … ach was,
redet einfach miteinander. Ihr werdet überrascht sein, wie
viele Gemeinsamkeiten ihr habt.«
Mit diesen Worten rauschte Adrienne Feldglöck aus der Tür
hinaus und zog sie mit festem Griff hinter sich ins Schloß.
Robert und Letitia blieben allein zurück und starrten sich
wortlos an. Es war plötzlich sehr still im Zimmer. Sie konnten
das Gemurmel erhobener Stimmen aus dem Ballsaal durch die
verschlossene Tür hindurch hören, aber es hätte ebensogut
von einer anderen Welt stammen können. Einen Augenblick
lang schien die Zeit selbst stillzustehen, und keiner von beiden rührte sich. Dann räusperte sich Robert verlegen.
»Möchtest du dich nicht setzen, Letitia?« fragte er.
»Ja, danke.«
Sie nahmen einander gegenüber Platz, wobei
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