Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der eiserne Thron

Der eiserne Thron

Titel: Der eiserne Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
Vom Netzwerk:
Feldglöck war ein großer, schlanker und ernsthafter
Mann und der Buchhalter des Clans. Es war eine Arbeit, die
man keinem Außenstehenden anvertrauen durfte, die aber von
den meisten Mitgliedern der Familie dennoch wie die Pest
gemieden wurde – sie erinnerte viel zu sehr an harte Arbeit,
und wenn sie arbeiten sollten, warum waren sie dann als Aristokraten auf die Welt gekommen? Zum Glück fand William
den Umgang mit Zahlen sowohl interessanter als auch leichter
als den Umgang mit Menschen, und somit war er für die
Buchführung wie geschaffen. Er kam nicht viel unter Leute,
trotzdem schaffte es der gutmütige William hin und wieder,
seine Gesprächspartner mit seinem politischen Sachverstand
zu überraschen. Aber schließlich war er ein Feldglöck, oder?
Gerald war im Gegensatz dazu der große Fehlgriff der Familie. Einen wie ihn gab es anscheinend überall. Zu dumm,
um mit wichtigen Geschäften betraut zu werden, aber bereits
zu alt, um ihn einfach zu übergehen. Die Familie hatte alles
versucht, um einen geeigneten Platz für ihn zu finden – vergeblich. Gerold war groß gewachsen wie sein Bruder, besaß
blondes Haar und sah blendend aus – aber das war auch schon
alles. Er hatte zwei linke Hände und wurde mit untrüglicher
Sicherheit von jedem Fettnäpfchen in seiner Nähe angezogen.
Nichts konnte er richtig machen, doch am schlimmsten war,
daß alle es wußten, außer ihm. Man hatte den alten Feldglöck
sagen hören – und nur halb im Scherz! –, daß man Gerold am
besten einer Familie schenken sollte, auf die man richtig sauer
war.
»Jetzt versuch wenigstens, ein fröhliches Gesicht zu machen!« sagte William gerade zum jungen Robert. »Immerhin
ist das eine Hochzeit und kein Besuch beim Zahnarzt!«
»Richtig«, stimmte Gerold zu. »Beim Zahnarzt holt man dir
etwas raus, und bei der Hochzeit steckst du etwas rein. Wenn
du weißt, was ich meine, eh?«
Robert lächelte höflich, aber verkrampft. Er erweckte den
Eindruck eines kleinen Tiers, das auf der Straße von den
Scheinwerfern eines heranrasenden Autos erfaßt worden war
und nicht wußte, wohin es fliehen sollte. Er zerrte an seinem
Frack, um die Falten zu glätten, und fummelte anschließend
an seiner Krawatte herum. Sein Kammerdiener hatte ihm versichert, daß er sowohl modisch als auch würdevoll in seiner
Garderobe aussah, doch Robert wußte nicht, ob er den Worten
des Dieners Glauben schenken sollte. Der junge Bräutigam
verspürte das dringende Bedürfnis, einen harten Drink zu kippen – oder besser mehrere –, aber William ließ ihn nicht. Valentin hatte ihm eine ›kleine Kleinigkeit zur Beruhigung‹ angeboten, Robert lehnte jedoch ab. Er hatte das Gefühl, noch
nicht reif zu sein für Valentins ›kleine Kleinigkeiten‹. Wahrscheinlich war außer Valentin selbst niemand reif genug dazu.
»Du hast doch die Probe bereits mitgemacht«, sagte William beruhigend. »Nichts, weshalb du dich aufregen müßtest.
Sag einfach die Worte, küß die Braut, und alles ist vorbei,
bevor du es merkst. Denk dran, zuerst den Schleier zu heben.
Du würdest staunen, wenn du wüßtest, wie viele Leute das
vergessen. Manchmal denke ich, das sind die Auswirkungen
der Inzucht. Reiß dich zusammen, es dauert nicht mehr lange.«
»Und dann kannst du dir deine Braut erst mal in aller Ruhe
ansehen«, sagte Gerold. »Freust du dich nicht darauf, eh?
Eh?«
»Gerold«, sagte William. »Geh und hol Robert einen
Drink.«
»Aber eben hast du noch gesagt, daß er nichts trinken darf!«
»Dann geh und hol mir einen Drink.«
»Aber du trinkst doch gar keinen Alkohol?«
»Dann geh und hol dir selbst einen verdammten Drink, und
komm ja nicht wieder, bevor du ihn geleert hast!«
Gerold schluckte einige Male, dann drehte er sich wortlos
um und stapfte in Richtung der Punschbowle davon. Er schien
ein wenig verwirrt. Wie immer. William sah zu Robert und
zuckte die Schultern.
»Nimm’s deinem Onkel Gerold nicht übel, Junge. Er meint
es gut, aber er ist als Baby einmal zu oft auf den Kopf gefallen. Es ist nicht allein seine Schuld, daß er genauso nützlich
ist wie ein einbeiniger Invalide beim Elfmeterschießen. Gibt
es … gibt es noch etwas, das du mich vor Beginn der Zeremonie fragen möchtest? Ich meine, ich … ich bin schließlich
ein verheirateter Mann, und …«
»Ach das«, sagte Robert schnell. »Nein, das geht schon in
Ordnung. Wenn du wüßtest, wie viele Leute bereits mit mir
darüber gesprochen haben. Alle gaben mir

Weitere Kostenlose Bücher