Der eiserne Thron
sie peinlich
darauf achteten, genügend Distanz zwischen sich zu bewahren. Robert überlegte krampfhaft, was er sagen könnte, um
nicht als kompletter Idiot dazustehen.
»Letitia …?«
»Titz.«
»Verzeihung?«
»Ich … ich möchte, daß du mich Titz nennst. Wenn es dir
nichts ausmacht.«
»Oh? Ja, ja natürlich. Du kannst Bobby zu mir sagen. Wenn
du möchtest.« Sie blickten sich zum ersten Mal in die Augen,
und plötzlich lächelte Robert. »Sag mal, Titz, fühlst du dich in
deinem Kleid genauso unwohl wie ich mich in diesem
Frack?«
Sie lachte laut auf und schlug erschreckt die Hände vor den
Mund. Vorsichtig blickte sie zu Robert, um zu sehen, ob er
nicht schockiert war. Beruhigt durch sein freundliches Lächeln, senkte sie die Hände wieder und lächelte zurück.
»Ich hasse dieses Kleid. Wenn es auch nur einen Millimeter
enger wäre, dann hätte ich es unter der Haut. Ich wage es
nicht, etwas zu essen oder zu trinken. Ich glaube nicht, daß in
diesem Kleid dafür Platz ist. Und jedesmal, wenn ich auf die
Toilette muß, benötige ich zwei Dienerinnen, die alle Schnüre
und Schnallen öffnen. Und ich war schon ziemlich oft auf der
Toilette. Ich glaube, das ist die Aufregung. Aber wenn ich
etwas sage oder mich gar beschwere, dann kriege ich als
Antwort nur, daß die Tradition es so verlangt. Als ob das irgendein Problem lösen würde.«
»Ja, du hast recht«, sagte Robert, als Letitia eine kurze Pause machte, um Luft zu schöpfen. »Wenn ich noch ein einziges
Mal das Wort Tradition zu hören bekomme, muß ich schreien.
Ich hab’ erst vor sechs Stunden erfahren, daß ich heiraten
muß. Und du?«
»Genauso. Sie dachten wahrscheinlich, wenn sie uns mehr
Zeit geben, suchen wir das Weite oder so etwas.«
»Weit daneben lagen sie damit nicht. Jedenfalls bei mir«,
gestand Robert trocken. »Das hier ist nicht im entferntesten
das, was ich vorhatte, als ich heute morgen aufgestanden bin.
Wenn ich gewußt hätte, was auf mich zukommt, wäre ich so
schnell davongerannt, daß sich in ihren Köpfen alles gedreht
hätte, und ich hätte erst am Horizont wieder angehalten. Aber
das war, bevor ich dich getroffen habe. Ich meine … ich dachte … Also ich weiß nicht mehr, was ich dachte, aber du … du
bist in Ordnung.«
»Danke«, erwiderte Letitia. »Du weißt wirklich, wie man
einer Dame ein Kompliment macht, was?«
Robert grinste. »Nein, eigentlich nicht. Ich war die meiste
Zeit meines Lebens in der Kadettenanstalt. Man erwartet es
von jungen Aristokraten, die kein Erbe antreten werden. Beim
Militär trifft man nicht viele Frauen. Und wie steht es mit dir?
Gab es schon einmal jemand … Besonderen in deinem Leben?«
»Es gab da jemanden, ja. Aber … es ist vorbei. Sie sind dahintergekommen und haben uns jeden weiteren Kontakt unmöglich gemacht.« Letitia lächelte schief. »Er war einer meiner Leibwächter. Aber ich durfte auch so nicht besonders häufig ausgehen. Nicht mehr, seit die Imperatorin damit begonnen hat, ihre Dienerinnen aus den Familien zu entführen. Ich
kannte die arme Lindsay, weißt du, die Nichte des alten
Shreck, die verschwand. Sie war so fröhlich und lustig. Seither werden wir schwer bewacht. Ich schätze, es ist nur zu verständlich, aber es macht das Leben auch sehr … ruhig.«
Robert nickte zustimmend. »Und jetzt sind wir hier und
kurz davor zu heiraten. Es ist irgendwie eigenartig, daß ich
jemanden zur Frau nehmen soll, der aus einem lebenslang
verfeindeten Clan stammt.«
»Finde ich auch«, stimmte Letitia ihm zu. Dann klatschte
sie unvermittelt in die Hände und grinste verschlagen. »Eßt
ihr Feldglöcks wirklich kleine Kinder zum Frühstück?«
»Oh, jeden Tag. Schmeckt viel besser als diese blöden
Frühstücksflocken.«
»Vielleicht bringen wir unsere Familien ja wirklich näher
zusammen, wie es geplant ist. Man hat schon Pferde vor der
Apotheke … du weißt schon. Bobby …?«
»Ja, Titz?«
»Wenn ich schon heiraten muß, dann bin ich froh, daß es
wenigstens jemand wie du ist.«
»Danke gleichfalls, Titz. Danke gleichfalls.«
Sie streckte ihre Hand aus, und er ergriff sie zaghaft und
umschloß ihre schlanken Finger mit den seinen. Dann saßen
sie eine Weile nur schweigend da und lächelten sich an. Wieder schien die Zeit stillzustehen, bis Adrienne hereingeplatzt
kam.
»Du lieber Gott, jetzt habt ihr soviel Zeit gehabt und seid
noch immer beim Händchenhalten? Ich weiß wirklich nicht,
was mit euch jungen Leuten heutzutage los ist. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher