Der eiserne Thron
umgeben von Finlay und William und Gerold, die alle
sehr ernst und vornehm dreinblickten. Dann wurde die Braut,
umgeben von Frauen aus dem Shreck-Clan, nach vorn gebracht und neben Robert geführt. Letitias Ankunft wurde begleitet von geflüsterten Scherzen und Kommentaren und unterdrücktem Lachen, doch Roberts Begleiter blieben steif und
förmlich, wie der Brauch es gebot. Robert war ihnen dankbar,
zumindest dafür. Er hatte das starke Gefühl, daß schon der
kleinste üble Witz ausreichen würde, ihn – zumindest im Augenblick – in hysterisches Geheul ausbrechen zu lassen. Dann
fand er sich neben Letitia durch den Gang nach vorn schreitend, beide allein, beide streng nach vorn blickend und beide
verzweifelt darum bemüht, sich auf die Worte und Bewegungen zu konzentrieren, die das Ritual von ihnen erforderte und
die man ihnen bei der Probe beigebracht hatte.
Vor dem Vikar, der inzwischen einen prächtigen purpurnen
Talar übergeworfen hatte, blieben sie stehen. Kassar verneigte
sich kurz vor den Brautleuten und begann in ruhigem, geschäftsmäßigem Ton mit der Zeremonie. Robert war es lieber
so. Es ließ den Vikar und die Zeremonie an sich weniger
furchterregend erscheinen. Die Worte klangen vertraut von
den vielen Hochzeiten, die Robert und Letitia seit ihrer Kindheit besucht hatten, und ihre Antworten kamen in ruhigem,
würdevollem Ton. Alles lief sehr glatt, und Robert erinnerte
sich sogar rechtzeitig daran, den Schleier zu heben, bevor er
die Braut küßte. Nur der rituelle Knoten mußte noch gebunden werden, und dann war es geschafft. Kassar bedeutete dem
Meßdiener, die zeremonielle goldene Kordel auf einem Tablett nach vorn zu bringen, nahm die Schnur entgegen und
schlang sie lose um die Handgelenke der Brautleute. Dann
winkte er den Kirchenesper herbei. Bevor die Kirche der Ehe
ihren Segen erteilen und die Hochzeit somit für gültig erklären konnte, war es erforderlich, daß die Identität beider Partner überprüft und bestätigt wurde. Niemand erwähnte je das
Wort Klon , aber jeder dachte bei der nun folgenden Prozedur
unwillkürlich daran.
Viele der anwesenden Gäste bewegten sich unruhig. Die
ESP-Blocker waren für diesen Augenblick abgeschaltet worden, so daß nun wirklich die Gefahr eines psionischen Angriffs von außen bestand, aber die meisten machten sich viel
mehr Sorgen wegen der kleinen Geheimnisse, die sie mit sich
herumschleppten und die der Kirchenesper vielleicht entdekken mochte. Zu verbergen hatte mehr oder weniger jeder etwas. Und zwar eher mehr.
Doch die Sorgen waren unbegründet. Der Esper wußte genau, daß er nicht riskieren durfte, seine Gedanken in Richtung
der Gäste abschweifen zu lassen. Nur zur Erinnerung stand
neben ihm ein Gardist der Kirche und hielt den Disruptor auf
ihn gerichtet. Also konzentrierte er sich auf die Braut und den
Bräutigam vor sich, und jede Unterhaltung verstummte. Bis
sein Kopf plötzlich hochruckte und er überrascht einen Schritt
zurückwich. Kassar funkelte ihn wütend an.
»Was gibt’s? Ist die Identität eines der beiden fragwürdig?«
»Nein, Hochwürden«, erwiderte der Esper rasch. »Die beiden sind genau die, die sie zu sein behaupten. Es ist nur … ich
habe nicht zwei, sondern drei Egos gespürt. Die Lady Letitia
ist schwanger. Und der Vater ist nicht der Bräutigam.«
Für einen Augenblick herrschte schockiertes Schweigen,
bevor ein Aufstand unter den anwesenden Hochzeitsgästen
ausbrach. Robert starrte mit offenem Mund auf Letitia, und
Letitia starrte wie betäubt zu ihm zurück. Gab es schon einmal jemand … Besonderen in deinem Leben , hatte er sie gefragt, und sie hatte mit Ja geantwortet. Kassar riß die goldene
Schnur von ihren Handgelenken und warf sie in die Ecke. Es
schien, daß jeder jeden anschrie und brüllte, so groß war der
Lärm, und dann fuhren Schwerter aus der Scheide. Rasch bildete sich ein freier Raum um die befleckte Braut, als hätte sie
eine ansteckende Krankheit. Adrienne versuchte sich zu ihr
vorzudrängen, doch diesmal bot die Menge selbst für sie kein
Durchkommen. Eine befleckte Braut zu einer Hochzeit zwischen verfeindeten Clans zu bringen, würde den Shrecks den
Bann der Imperatorin einbringen. Es war die allergrößte Beleidigung.
Die Shrecks schrien und beteuerten ihre Unschuld und daß
sie nichts davon gewußt hätten, aber niemand hörte ihnen zu.
Robert machte einen tröstenden Schritt zu Letitia hin, obwohl
er nicht wußte, was er sagen oder tun sollte.
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