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Der eiserne Thron

Der eiserne Thron

Titel: Der eiserne Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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Wartungstunneln, das die verschiedenen, selbsterhaltenden Welten miteinander verband, die im Innern von Golgatha
existierten. Obwohl das komplizierte Labyrinth für die Überlebensfähigkeit der inneren Welten unabdingbar war, dachten
nur wenige Leute je darüber nach. Nur Wartungspersonal war
hier unten erlaubt; auf der anderen Seite war Valentin daran
gewöhnt, sich an Orten aufzuhalten, zu denen er eigentlich
keinen Zutritt hatte. Seine Lippen kräuselten sich angeekelt,
als der Schlamm, durch den er bereits seit einiger Zeit watete,
stetig tiefer wurde. Mittlerweile reichte er schon bis an die
Knöchel seiner modischen, engen Lederstiefel, und er tat dem
teuren Schuhwerk gewiß alles andere als gut. Valentin hatte
keine Ahnung, aus was der Schlamm bestand; jedoch verspürte er nicht de geringste Lust, seine Zusammensetzung näher
zu analysieren. Er hatte das starke Gefühl, daß es besser war,
wenn er es nicht wußte. Das Zeug sah verdächtig organisch
aus, und es war sicher besser, so wenig wie möglich darin
herumzurühren. Valentin stapfte durch den Tunnel, eine Hand
stets in der Nähe des Kolbens seiner Pistole, und versuchte
ohne rechten Erfolg, die schmerzenden Muskeln seines
krummen Rückens zu entspannen.
    Die empfindlicheren Bestandteile seiner Garderobe hatte er
abgelegt und gegen robustere, unauffälligere Kleidungsstücke
getauscht, bevor er sich auf den Weg nach hier unten begeben
hatte. Er war jetzt in einen langen, dunklen Umhang gehüllt,
hatte das schwere Make-up von seinem Gesicht entfernt und
sein langes schwarzes Haar zu einem Zopf zusammengebunden. Alles zusammengenommen, hätte ihn kaum jemand seiner flüchtigeren Freunde wiedererkannt – was ihm hervorragend in den Kram paßte. Sie würden kein Verständnis dafür
aufbringen, daß Valentin Wolf, der hochgeborene Aristokrat,
die Treffen der Klone und Esper im Untergrund besuchte.
Wie sollten sie auch.
    Es war schon eine Schande, daß er nach dem Debakel mit
der Hochzeit so hastig hatte aufbrechen müssen. Valentin hatte eine langweilige, lieblose Veranstaltung erwartet, gefolgt
von langweiligem Essen und noch langweiligerem Tanz, doch
schließlich hatte sich der Nachmittag als äußerst abwechslungsreich entpuppt. Er wäre zu gern noch eine Zeitlang geblieben und hätte hier und da ein paar exquisite Bonmots zum
besten gegeben – selbstverständlich nur dort, wo sie den größten Schaden anrichteten, das war er sich und seinem Ruf
schließlich schuldig –, aber dann war die Nachricht aus dem
Untergrund auf dem üblichen Weg eingetroffen.
    Und wenn der Untergrund rief, dann antwortete Valentin.
Es gefiel ihm nicht sonderlich, sich von diesem niederen Pöbel herbeizitieren zu lassen, aber solange sie hatten, was er wollte, solange würde er bei ihrem Spiel mitspielen. Hin und
wieder konnte es sogar ganz amüsant sein. Obwohl nicht gerade in diesem Augenblick, wie er sich leicht säuerlich eingestand.
    Plötzlich blieb er stehen und spähte angestrengt in die Finsternis vor sich. Die schwache Lampe an der Decke warf einen blauweißen Lichtschein, aber er reichte nur wenige Meter
weit nach vorn und hinten, und zwischen den weitverstreuten
Lampen herrschte rabenschwarze Nacht, die selbst seine chemisch verstärkten Augen nicht zu durchdringen vermochten.
Er lauschte angestrengt und vermied jede Bewegung – nichts
rührte sich. Valentin runzelte nachdenklich die Stirn. Er hätte
schwören können, daß er vor sich ein Geräusch wahrgenommen hatte. Aber Geräusche pflanzten sich in den engen Wartungstunneln recht eigenartig fort, und nur Gott allein wußte,
welche kleinen, widerlichen Lebensformen sich hier unten
häuslich eingerichtet hatten.
    Valtentin war nicht weit von den Hauptabwässerkanälen
entfernt, jedenfalls nach dem Plan zu urteilen, den er sich eingeprägt hatte. Man erzählte sich alle möglichen Geschichten
über die fremdartigen und böswilligen Kreaturen, die in den
Abwässerkanälen gediehen. Die Gerüchte behaupteten sogar,
daß die Arbeiter hier unten Gefahrenzuschläge und Prämien
für die Köpfe von allem erhielten, was sie mit nach oben
brachten. Nicht, daß Valentin sich um derartige Märchen geschert hätte. Sein Kopf ruckte herum. Da war das Geräusch
schon wieder, beinahe unhörbar, aber es bestand kein Zweifel.
Und dann wieder nur Stille und Finsternis. Er konzentrierte
sich, und tief im Innern seines Körpers entleerten Drogenspeicher ihren Inhalt in seinen Kreislauf.

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