Der eiserne Thron
Kontrolle über sein
Bewußtsein ein wenig gelockert wurde. »Aber hauptsächlich,
weil ich es so satt war, immer nur Angst haben zu müssen.
Bei jedem Klopfen an meiner Tür bekam ich beinahe einen
Herzinfarkt, weil ich dachte, daß man mir auf die Spur gekommen wäre und mich endlich abholen würde. Am Schluß
ging ich freiwillig zu ihnen. Ich hielt den Druck nicht mehr
länger aus. Doch auch danach wurde es nicht besser; jetzt
hatte ich noch mehr Angst wegen dem, was mit mir geschehen würde, wenn Ihr von meinem Verrat erfahren würdet. Die
Sicherheitsleute sagten, sie würden mich beschützen, aber ich
wußte es besser. Und als Eure Leute schließlich kamen und
mich holten, da fühlte ich mich beinahe erleichtert.«
»Wir verstehen«, sagte die Stimme. »Aber wir dürfen keine
Gnade walten lassen. Du hast zu viele Leben aufs Spiel gesetzt. Wir alle haben Angst, Erwin, aber wir sind nicht daran
zerbrochen. Wie viele tausend wären verraten worden, wenn
die Sicherheitstruppen uns hier überrascht hätten? Die gesamte Bewegung wäre zerschmettert worden, und wir hätten uns
nie wieder von diesem Schlag erholt.«
»Meint Ihr nicht, ich wüßte das nicht selbst?« Burgess’
Stimme klang hohl und tonlos. Er schien keine Hoffnung und
keine Furcht mehr zu haben. »Ich habe meine Lektion gelernt.
Ich werde nicht wieder schwach sein. Ich würde es nicht wagen.«
»Es tut uns leid«, sagte die Stimme. »Aber wir müssen ein
Exempel statuieren.«
»Dann macht es wenigstens schnell«, sagte Burgess.
»Ja«, erwiderte die Stimme. »Das machen wir.«
Burgess explodierte. Sein Körper barst auseinander, und eine Wolke von Blut, Gewebefetzen und Knochensplittern flog
durch die Luft. Evangeline zuckte unwillkürlich zurück, doch
die Trümmer kamen nicht weit. Die gleiche Kraft, die Burgess
hatte explodieren lassen, hielt nun die Fragmente zurück. Sie
fielen in einer Reihe leiser, sanfter Geräusche zu Boden. Alles
war genauso schnell vorbei, wie es begonnen hatte. Eine der
Kyberratten pfiff anerkennend. Valentin machte einen Schritt
nach vorn und stieß mit der Stiefelspitze gegen einen blutigen
Muskelklumpen.
»Nun seht Euch das nur an«, sagte er. »Er hatte tatsächlich
ein Herz! Wer hätte das gedacht?«
Und dann ging auf einmal alles drunter und drüber. Eine
Alarmsirene schrillte laut und durchdringend, und das Geräusch von Disruptorfeuer erklang in der Ferne. Die Kyberratten auf den Bildschirmen an den Wänden der Kaverne verschwanden urplötzlich, als sie sich aus dem System ausklinkten. Einen Augenblick lang war nur das Rauschen leerer Bildschirme zu sehen, dann klärten sie sich nacheinander und
zeigten in rascher Folge Bilder bewaffneter Soldaten, die sich
durch die Zugangstunnel bewegten. Sie schienen aus allen
Richtungen zugleich zu kommen, füllten die Gänge aus, und
ihre Disruptoren entluden sich auf unsichtbare Verteidiger.
Aber was auch immer die Verteidiger unternahmen, es schien
die voranstürmenden Sicherheitstruppen nicht im mindesten
aufzuhalten.
»Warum benutzen sie keine Illusionen, um die Soldaten zu
stoppen?« fragte Evangeline. »Ich dachte, dazu wären sie da!«
»Seht auf die Schirme«, erwiderte Valentin ruhig. »Sie führen ESP-Blocker mit sich. Unser toter Freund Burgess scheint
seinen Verrat noch begangen zu haben, bevor er erwischt
wurde. Seht Euch die Uniformen an. Das sind Imperiale
Truppen. Die Sicherheitsleute der Eisernen Hexe persönlich.
Sie scheint zu wissen, daß hier unten ein wichtiges Treffen
abläuft.«
Auf einmal riefen alle durcheinander und versuchten, sich
gegenseitig zu übertönen. David Todtsteltzer und Kit Sommer-Eiland hatten ihre Pistolen und Schwerter gezogen, doch
nur der Sommer-Eiland schien bereit, sie auch zu benutzen,
Huth blickte reglos von einem Schirm zum andern, als könne
er nicht glauben, was er dort sah. Evangeline war blaß geworden, die Hände zu weißen Fäusten geballt. Sie blickte hilfesuchend zu Valentin, aber der lächelte nur verlegen und wedelte
ratlos mit den Händen. Hinter Valentins errötender Fassade
rasten die Gedanken. Er hatte reichlich Kampfdrogen in seinen Reservoirs, die er innerhalb von Sekundenbruchteilen in
den Kreislauf spülen konnte, doch er zögerte, seine sorgfältig
errichtete Maske als dekadenter Aristokrat einfach wegzuwerfen, bevor es absolut notwendig war. Der Gedanke gefiel ihm
nicht, daß sich die Nachricht verbreiten könnte, er wäre nicht
der unfähige Stutzer, den alle
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