Der eiserne Wald
fest. »Einer von diesen Bäumen wird dir gar nichts bringen.«
»Ich höre.«
»In Wirklichkeit brauchst du etwas, das die Heuschrecken nicht wegfressen können. Eigentlich willst du doch das, was GenTech hat und der Rest von uns nicht.«
»Du meinst dieses Ding in der Obstplantage.«
»Ganz genau das meine ich.«
»Nette kleine Spinnerei, Mister B. Vielleicht hast du die schwer bewaffnete Agententruppe ja übersehen? Oder die Türen, die sich nur mit einem einzigen Schlüssel öffnen lassen?«
»Es gibt hier eine ganze Armee, und ich garantiere dir, dass sie nur zu gerne kämpfen wird. Man muss sie nur aufwecken, mehr nicht.«
Frost starrte den Hügel hinauf und kaute auf seiner Unterlippe herum. Eine Weile überlegte er stumm, dann schien er zu einem Ergebnis zu gelangen.
»Sie werden Waffen brauchen«, sagte er schließlich.
»Du bist doch ein Agent, oder nicht? Kannst du nicht ein paar Waffen auftreiben?«
Frosts Blick wanderte zwischen den Bäumen und mir hin und her.
»Wer steckt da noch mit drin?«, wollte er wissen.
»Du und ich. Und Crow.«
»Was ist mit Zee?«
»Sie wird auch mitkommen, ja.«
»Dann werde ich dir helfen. Aber ich kriege sie. Wenn das hier vorbei ist, kriege ich Zee.«
»Okay.« In diesem Moment legte sich in meinem Inneren eine Art Schalter um. Frost durfte die Insel auf keinen Fall verlassen, sagte ich mir. Unter gar keinen Umständen durfte er von hier weg.
Der fette Mann streckte mir die Hand mit dem fehlenden Finger entgegen. Und ich schüttelte sie. Vielleicht hätte ich das nicht tun sollen.
Aber ich tat es.
Kapitel 53
E ine Stunde nach Sonnenuntergang würde alles anders werden. Meinen Schätzungen zufolge hatte das Medikament die Gefangenen dann in etwas verwandelt, das nicht mehr menschlich war. Dann würden wir unsere Armee verlieren. Und dann würde ich Alpha verlieren.
Aber das durfte nicht geschehen, sagte ich mir.
Ich würde es nicht zulassen.
So gegen drei ging die Sonne unter, dann blieb Frost eine Stunde Dunkelheit, um die Waffen in den Bunker zu schmuggeln und das System abzuschalten, damit die Gefangenen aufwachten. Meine Aufgabe bestand darin, ein Ablenkungsmanöver zu inszenieren. Und ich musste einen Weg finden, um an den Schlüssel zur Obstplantage zu kommen. Der erste Teil würde wohl nicht sonderlich schwierig werden. Der zweite schon eher.
Frost war ein Risiko, das war mir klar. Wie man es auch drehte und wendete, er stellte eine Gefahr dar. Aber blieb mir denn etwas anderes übrig, als ihn zu benutzen? So wie sich die Dinge entwickelt hatten, konnte man sich nicht mehr darauf verlassen, dass Zee den Mund hielt. Und Crow konnte noch nicht einmal laufen.
Immer wieder bat ich Zee, nach ihm zu sehen, woraufhin sie durch den Schnee und anschließend zurück in den Wald stapfte, aber sie brachte jedes Mal dieselbe Nachricht: Keine Veränderung.
Der Vormittag verging viel zu schnell, und irgendwann arbeitete ich nur noch schlampig. Ich errichtete einen einzigen Baum, mitten auf der Lichtung. Nur einen verdammten Baum. Aber ohne meine gewohnten Werkzeuge schien nichts so richtig zu funktionieren – was auch daran liegen konnte, wie ich mich fühlte.
Ich war erschöpft. Mir ging die Luft aus. Trotzdem bog ich das verrostete Metall zu einer knapp vier Meter langen Röhre und pflanzte sie in die Erde. Anschließend zerstückelte ich die Rohre und benutzte die einzelnen Teile, um daraus Äste zu machen, die ich an den Radkappen befestigte und mit Dosen und Glasscherben als Blätter versah.
Wie gesagt, schlampige Arbeit.
Entscheidend war nur das, was ich mit dem Kabel machte. Und mit dem großen Metallfass. Das dichtete ich wasserfest ab und installierte es in der Baumkrone. Anschließend führte ich das Kabel aus dem Fass heraus und leitete es durch den gesamten Wald. Ich brauchte Ewigkeiten dafür. Es musste alles genau richtig verlegt werden, so dass schließlich alle Baumkronen in einem riesigen Kabelnetz verbunden waren.
Und da war noch etwas – bevor ich anfing, das Kabel zu verlegen, hatte ich es eine Weile in einer alten Tonne eingelegt. Einer Tonne, in der genau das Zeug lagerte, das ich auch in das Fass in der Baumkrone gekippt hatte.
Sprit.
Meine geheime Zutat.
Nicht vergessen, beim Bauen geht es vor allem um die Details. Und dieses Detail würde auf jeden Fall dafür sorgen, dass dieser Wald lebendig wurde. Er würde heller strahlen als alle LEDs, die man nur finden konnte.
Und dann würde er brennen.
Vollständig
Weitere Kostenlose Bücher