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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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ihre Karte hervor, um die Tür zu öffnen.
    »Oh, machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken, Miss«, erwiderte er. Beim Klang seiner Stimme drehte sich mir fast der Magen um. »Ich liebe den Wechsel der Jahreszeiten. Ganz egal, wie kalt es wird.«
    Während die Tür sich langsam hinter uns schloss, starrte ich zurück zu der stämmigen Gestalt in dem pelzigen, mit GenTech-Logos überzogenen Mantel. Auf seinem Rücken hing ein Gewehr, und er hatte einen Schlagstock in der Hand. Wie jeder andere Agent auch. Doch seine Stimme hatte ich schon einmal gehört und würde sie nie wieder vergessen. Denn dieser Agent war nicht einfach irgendjemand. Er war kein Fremder.
    Es war Frost.

Kapitel 52
    I ch konnte nicht schlafen. Stattdessen wartete ich neben Crows Bett und zählte die Sekunden, bis er wieder aufwachte. Das, was sie mit seinen Beinen gemacht hatten, half auch dabei, seine Haut wieder zu reparieren und ließ sie glänzen, wo sie vorher vernarbt und voller Blasen gewesen war. Die neuen Gliedmaßen waren allerdings eine andere Sache. Stramme, lange Beine, die mit schuppiger Borke überzogen waren. Sie ragten unter der Decke hervor. Ihre Oberfläche war voller Knubbel und Dellen, und sie waren sogar noch größer als seine Originalausstattung. Falls Crow sie nach dem Aufwachen wirklich benutzen konnte, wäre er damit bestimmt drei Meter groß.
    Crows Gesicht wirkte friedlich, als würde er gerade ein ganzes Leben voller Schlafmangel aufarbeiten. Ich saß ruhelos da und bewachte den Wächter.
    »Crow«, flüsterte ich irgendwann.
    »Was?«
    »Schläfst du?«
    »Nein, ich rede mit dir.« Er öffnete die Augen. »Was sitzt du hier und starrst mich an?«
    »Wollte nur sehen, wie es dir geht.«
    »Gut. Uns geht’s gut.«
    »Die Beine«, präzisierte ich.
    »Ja, Mann. Habe versucht, sie zu benutzen.«
    »Wie lange?«
    »Lange genug, Mann. Lange genug.«
    Ich starrte auf seine Beine, die nicht einmal zuckten. »Vielleicht dauert es nur eine Weile«, schlug ich vor.
    »Klar doch, Banyan. Kann sein.«
    »Ich muss dir etwas sagen.«
    »Was?«
    »Frost ist hier.«
    Jetzt hatte ich seine volle Aufmerksamkeit. Er starrte mich durchdringend an. »Frost?«
    »Ja, ich habe ihn gesehen.«
    »Der alte Scheißkerl muss sich freiwillig gemeldet haben.«
    »Warum sollte er das tun?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht blieb ihm keine andere Wahl. Oder vielleicht bezahlt er so für seine Fahrkarte hierher. Woher in Gottes Namen soll ich das wissen?«
    »Hör zu.« Bis die Worte meinen Mund verließen, war ich mir nicht sicher, was ich sagen würde. »Ich glaube, wir können ihn für unsere Zwecke einspannen.«
    »Frost? Auf keinen Fall, Mann. Frost kann man nicht trauen.«
    »Wir müssen ihm nicht trauen, sondern ihn nur für eine Weile auf unsere Seite ziehen.«
    »Und dann?«
    »Dann beseitigen wir ihn, ein für alle Mal.«
    »Eiskalt, Banyan. Du bist eiskalt.«
    »Ach ja? Tja, du hast keine Beine, Kumpel. Und ich werde etwas Hilfe brauchen.«
    »Dann verkauf deine Seele eben an den Teufel. Was schert es mich?«
    »War nur so eine Idee«, versuchte ich ihn zu beruhigen.
    »Eine blöde Idee.«
    »Du hattest dich doch auch mit ihm zusammengetan.«
    »Und jetzt sieh dir an, was mir das eingebracht hat.«
    »Wir haben nur noch bis heute Abend Zeit. Dann war’s das. Ich habe einen Plan, aber dafür werde ich Hilfe brauchen.«
    »Du solltest mit Zee reden. Sie wird dir helfen, Mann. Ganz bestimmt.«
    »Okay. Ruh du dich aus. Versuch, diese Beine in Bewegung zu setzen. Ich komme wieder und sehe nach dir.«
    »Wirst du mit Zee reden?«
    »Ja«, versprach ich, aber es war gelogen.
    Ich würde mit Frost reden.
    *
    Ich ging hinaus in den leblosen Morgen. Überall lag Schnee, aber der Sonnenaufgang war nicht in Sicht. Frost war verschwunden, und ein anderer, dünnerer Agent bewachte den Eingang.
    »Der Mann, der vor Ihnen hier war«, fragte ich. »Wissen Sie, wo der hingegangen ist?«
    Der Agent zeigte in eine Richtung, und ich machte mich auf den Weg. Frosts Fußspuren zogen sich den Hügel hinauf.
    Als ich auf der anderen Seite der Anhöhe wieder hinunterging, entdeckte ich Frost auf der Lichtung. Er schnüffelte in dem Schrott herum, den ich ausgegraben hatte. Dabei hatte er seine Kapuze abgenommen, so dass ich sein rosafarbenes Gesicht sehen konnte, das von der Kälte ganz rissig war. In seinem gebleichten Haar schimmerten die dunklen Wurzeln durch. Aus den Tiefen meiner dicken, pelzigen Jacke hervor beobachtete ich ihn eine Weile, gut versteckt

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