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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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und laut. Also hörte ich auf zu schreien. Hockte einfach nur da. Still. Reglos. Die Schöpferin krabbelte von mir runter, setzte sich auf den Betonboden und beobachtete mich. Ich wusste, dass ich dieses Gefühl irgendwie abschalten musste. Einen Weg finden musste, mich wieder unter Kontrolle zu kriegen. Im Beisein dieser Frau durfte ich keine Fehler machen. Davon hing alles ab.
    Also sagte ich ihr, wie wunderschön ich das fände, was sie mit meinem Vater gemacht hatte.
    Und das war das eigentlich Kranke daran.
    In gewisser Weise war es schön. Auf eine grauenhafte Art. Mir fiel wieder ein, was ich zu Crow gesagt hatte, als wir uns über Himmel und Hölle unterhalten hatten: dass eines vielleicht wie das andere sei. Ruhm und Hunger. Angst und Liebe. Alles so verwoben, dass man nicht erkennt, wo das eine anfängt und das andere aufhört.
    Ich starrte in den Tank und überlegte mir, dass die Welt vielleicht gar nicht so tot war, wie wir geglaubt hatten. Vielleicht lag sie ja nur im Winterschlaf und wartete auf neue Samen.
    »Durch die Flüssigkeit wird das Mikroklima erhalten«, erklärte die Schöpferin gerade. Sie behielt mich aufmerksam im Auge, und ihre Stimme klang unsicher und rauh. »Das schützt ihn vor dem Winter.«
    Ich schluckte schwer. Setzte zum Sprechen an.
    »Er ist in Sicherheit«, flüsterte sie. »Er ist der Eine, bei dem alle Tests erfolgreich waren.« Sie stand auf und blickte in den Tank. »Er ist zu einhundert Prozent resistent gegen die Heuschrecken. Ihm kann nichts geschehen. Niemals.«
    Ich versuchte mir einzureden, dass mein Dad schlafend in dem ruhte, was dort wuchs. Dass sein Bewusstsein noch da war, er noch denken konnte. Und träumte. Nicht wirklich tot. Nur fort.
    »Was ist mit seinem Gehirn?«, flüsterte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Er ist jetzt mehr Baum als Mensch.«
    Dieser Satz traf mich bis ins Mark. Ich spürte, wie er bis in mein Innerstes vordrang. Nichts lässt die Welt hoffnungsloser erscheinen als die Erkenntnis, dass sie leer ist. Aber ich musste die Teile von mir, die mit diesem Wissen infiziert waren, abtrennen. Sie brachten nichts als Qualen.
    »Und was wird übrig bleiben?«, fragte ich und ballte die Fäuste, als könnte ich so den Schmerz herauspressen und von meinen Fingern tropfen lassen. »Wenn ihr mit ihm fertig seid?«
    »Gerade genug, um die nächste Ernte anzusetzen. Sein Körper ist zum perfekten Nährboden geworden. Wir werden diese Zellen so lange mit menschlichem Gewebe verschmelzen, bis wir eine ausreichende Vielfalt erreicht haben.«
    »Und dann?«
    »Dann wird meine Arbeit getan sein.« Sie drückte eine Hand gegen den Tank und hinterließ einen schmierigen Abdruck auf der Scheibe. »Und seine ebenfalls.«
    *
    Draußen vor der Obstplantage fielen dicke weiße Flocken vom Himmel. Ich fühlte mich, als hätte man mich zusammengeschlagen und anschließend ausgesaugt. Mein Kopf pochte, und ich war völlig ausgetrocknet.
    »Es tut mir leid«, sagte die Schöpferin und zog die Schultern zusammen. »Es tut mir leid, dass dein Vater und ich dir so viel Leid zugefügt haben.«
    Sie lächelte mich an, und zum ersten Mal hatte ich Mitleid mit ihr, denn mir wurde klar, dass sie nicht einmal ansatzweise verstehen konnte, was in mir vorging.
    Sie war hiergeblieben und hatte nach einer Lösung geforscht, die Hunderte von Menschen das Leben kostete. Vielleicht sogar Tausende. Und wie auch immer sie das rechtfertigte, meiner Meinung nach würde nur GenTech das bekommen, was die Welt so dringend brauchte. Aber wie konnte sie das nicht begreifen? Wie konnte sie es vorziehen, so verdammt blind zu sein?
    Mit knirschenden Schritten wanderten wir durch den Schnee, die hochgeschlagenen Kapuzen verbargen unsere Gesichter. Langsam näherten wir uns wieder dem Gebäude, in dem Zee schlief und Crow hoffentlich heilte, damit er bald kämpfen konnte. Du musst stark bleiben, sagte ich mir. Für Alpha und all die anderen Gefangenen. Für das, was von meinem Vater noch übrig war. Für die Entführungsopfer, die Verbrannten. Für all die hungernden Menschen da draußen. Auf dieser Insel konnten wir dem Bösen einen echten Schlag versetzen. Und wenn es sein musste, würde ich dafür sterben. Oder ich würde überleben und die Bäume nach Hause bringen.
    Am Eingang stand ein Agent, der das Gebäude bewachte. Er war genauso warm eingepackt wie wir und hatte sich in seinem dicken Mantel vergraben.
    »Guten Abend, Schöpferin«, sagte der Mann.
    »Ist es Ihnen auch kalt genug?« Sie zog

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