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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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gewesen«, sagte sie. Es war nicht wirklich eine Frage, eher eine Feststellung. »Im Gelobten Land.«
    »Habe es mit eigenen Augen gesehen.« Der Mann hörte auf zu schaukeln und starrte zu Zee hoch. Die braunen Zähne schoben sich wieder hervor, als er breit grinste. »Und Jah hat mich berührt.«
    Der Rasta ließ sich auf die Knie zurücksinken, schob die Hand zwischen die Lumpen an seinem Bauch und wühlte ein wenig darin herum, bis er schließlich sein Hemd hochzog. Die schwarze Haut über seinen deutlich sichtbaren Rippen sah irgendwie fremdartig aus. Als hätte er eine Krankheit oder so.
    Fasziniert starrte ich auf diese seltsame Hautpartie, die knubbelig aussah, rauh und hart. Zee war zurückgezuckt, sprang auf und ging auf Abstand.
    »Was zum Teufel ist das?« Ich kniete mich hin, um einen genaueren Blick darauf zu werfen. Doch eigentlich hatte ich schon eine ziemlich klare Vorstellung davon, was das war, auch wenn ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Und ich wusste, dass es definitiv nicht auf menschlicher Haut wachsen sollte.
    »Ein Stück vom Baum des Lebens, Sir.« Grinsend tippte sich der Rasta auf den Bauch. Es klang dumpf. Nicht wie Fleisch oder Knochen, aber auch nicht wie Kunststoff, Stein oder Metall.
    »Das ist Holz«, sagte ich und sah in die riesigen Augen des Alten. Sie lächelten und schienen mir mit jedem Wimpernschlag hundert Geschichten zu erzählen. »Das ist Borke.«
    »Und Jah wird uns befreien, wenn wir erst alle zurückkehren, Sir. Wenn wir ein Schiff bauen, das groß genug ist.«
    »Heilige Scheiße«, flüsterte ich. Fragend drehte ich mich zu Zee um. »Hast du das gesehen?«
    Stumm schüttelte sie den Kopf. Sie war völlig verstört. Scheiße, das war ja auch ein gruseliger Anblick. Aber es kam von allem, was ich je gesehen hatte, einem richtigen Baum am nächsten. Borke. Echte Borke. Die irgendwie in die Haut des alten Mannes eingebettet war. Vorsichtig berührte ich die knotigen Plättchen. Es war tatsächlich Holz. Genau wie in den alten Geschichten. Holz, das man mit einer Axt spalten konnte. Das man aufpolieren oder verbrennen konnte.
    »Wo zum Teufel bist du gewesen, alter Mann?«, fragte ich ihn. »Wie ist das passiert?«
    »Ich bin ein Kind Zions«, erwiderte er. »Habe vom Baum des Lebens gegessen und bin dann vom rechten Weg abgekommen. Aber du wirst mich zu ihm zurückführen, denn die Angst meines Herzens ist vorüber.«
    Ich holte das Foto aus der Hosentasche und streckte es dem alten Mann entgegen. Sein Blick wurde glasig.
    »Jah, Mann«, heulte er so glücklich, dass seine Stimme brach.
    »Das hier«, ich zeigte auf das Bild, »ist mein Vater.«
    »Sicher doch, Sir«, flüsterte der Rasta. »Wenn er noch am Leben ist.«
    »Am Leben?«
    »Aber jetzt ist Winter. Normalerweise muss Frühling sein, bevor das Töten losgeht.«
    »Welches Töten?«
    »Mörder.« Über die Wangen des Alten liefen Tränen. »Im Frühling. Allesamt Mörder.«
    »Dein Vater?« Zee riss mir das Foto aus der Hand und hielt es mir wütend unter die Nase. »Dieser Typ ist dein Vater?«
    »Ja.« Ich stand auf, stapfte zum Wagen und lehnte mich dagegen. In meinem Kopf drehte sich alles, ich brauchte irgendeinen Halt. »Das ist Pa.«
    »Der König.« Mehr sagte der Rasta nicht. »Der König.«

Kapitel 10
    S chweigend fuhren wir weiter, jeder von uns in seiner eigenen Welt gefangen. Ich hatte dem Alten etwas Popcorn gemacht, und nun lag er hinten im Wagen, mit Dads altem Sombrero auf dem Kopf, aß etwas und war dabei einzunicken.
    Ich hatte nichts mehr aus ihm rausgekriegt. Er faselte nur immer wieder etwas von einem König und dem Gelobten Land und warf mir trübsinnige Blicke zu, wenn ich von Pa anfing.
    Hin und wieder spürte ich, wie Zee mich musterte. Sie setzte jedes Mal zum Sprechen an, ließ es dann aber. Wer weiß, vielleicht konnte sie ja hören, wie mein Gehirn auf Hochtouren arbeitete, oder sie sah Rauch aus meinen Ohren aufsteigen.
    Über die Schulter sah ich zu dem armen Freak nach hinten. Sein Kopf ruhte auf meiner Nagelpistole, der Bauch aus Holz war ausgestreckt. Irgendetwas war mit ihm geschehen. Vielleicht eine Mutation. Aber anders als alles, was ich je gesehen hatte.
    »Glaubst du jetzt?«, fragte Zee irgendwann.
    »Woran?«
    »An Zion. An das Gelobte Land.«
    »Ich denke, irgendwo da draußen gibt es Bäume. An einem Ort, den die Heuschrecken nicht erreichen können. Aber wo?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Zee. »Aber ich würde überall hingehen. Alles eintauschen, was auch

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