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Der eiserne Wald

Der eiserne Wald

Titel: Der eiserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Howard
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ab, und der Typ dort versicherte mir, er würde ein Auge darauf haben. Ich sagte ihm nicht, dass hinten drin ein verrückter alter Rasta hockte. Und auch nicht, dass wir vorhatten, noch jemanden zu entführen.
    Zee hatte eines von Pas alten Hemden angezogen, dazu trug sie meine Ersatzbrille, hinter der die obere Hälfte ihres Gesichts fast völlig verschwand. Den Rest bedeckte sie mit einem alten Tuch. Vor Mund und Nase polsterte ich es extra aus, um ihre geschädigten Lungen so gut wie möglich zu schützen.
    Diesen Teil der Barackensiedlung hatte ich noch nie zu Fuß erkundet, und es sah zwar nicht anders aus als durch ein Wagenfenster, aber ich schwöre, es roch mindestens doppelt so schlimm. Der Wind hatte zugenommen und wehte stinkenden Sand heran. Trotzdem war ich dankbar dafür, weil der aufgewirbelte Staub uns vor neugierigen Blicken verbarg.
    »Was ist eigentlich ein Tripnotyst?«, fragte ich mit staubverklebtem Mund.
    »Der soll einem dabei helfen, sich zu erinnern.« Zees Stimme wurde durch den Stoff so stark gedämpft, dass sie kaum den Wind übertönte.
    »Woran denn so?«
    »Keine Ahnung.« Sie zuckte mit den knochigen Schultern. »Ich erinnere mich an alles. Vor allem an Dinge, die ich lieber vergessen würde.«
    »Und was hat deine Mom vergessen?«
    »Wenn wir das wüssten, dann müsste sie ja nicht zum Tripnotysten gehen. Aber Frost denkt, ihr Tattoo stamme vom selben Ort wie das Foto.«
    *
    Es war das Zelt, aus dem Crow schon wenige Tage zuvor gekommen war, als ich gerade darauf wartete, dass mein Wassertank voll wurde.
    Um außer Sichtweite zu bleiben, versteckten wir uns hinter einer Bude, in der bei Plünderungen gesammelte Plastikspielzeuge in Tierform verkauft wurden. Hier handelte man mit Erinnerungen an eine Zeit vor der Dunkelheit, den Heuschrecken und der toten neuen Welt.
    »Meinst du, er ist da drin?«, fragte ich Zee. Doch bevor sie antworten konnte, hob sich der Zelteingang, und Crow schlenderte heraus – Sonnenbrille auf der Nase und Kopfhörer in den Ohren.
    Wir duckten uns hinter die Bude und spähten vorsichtig um die Ecke, Crow, der langsam vorbeizog, immer im Blick. Ich versuchte herauszufinden, wohin er ging und welche Gedanken sich wohl unter diesen dicken, alten Dreadlocks abspielten.
    »Das ist unsere Chance«, flüsterte Zee und versetzte mir einen Stoß. »Hol meine Mutter da raus. Sag ihr, dass ich dich geschickt habe.«
    »Und was ist mit dem Tripnotysten?«
    »Erzähl ihm, was nötig ist.«
    »Was machst du solange?«
    »Ich stehe Schmiere, du Idiot. Und sorge dafür, dass Crow nicht zurückkommt.«
    Ich wartete, bis der Wächter nicht mehr zu sehen war, und rannte zum Zelt hinüber. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte mir Zee, die sich zwischen den Wassertanks an der Trinkstation herumdrückte. Und dann, bevor ich noch länger darüber nachdenken konnte, was ich hier eigentlich tat, riss ich meine Brille herunter, hob die Zeltklappe an und tauchte in die Dunkelheit ein.
    *
    Im Inneren des Zeltes war es stockfinster. Als die Plastikplane hinter mir herabfiel, schien die Straße plötzlich meilenweit weg zu sein. Blinzelnd suchte ich nach irgendeinem Licht. Dann stolperte ich mit weit ausgestreckten Armen vorwärts.
    Ein statisches Rauschen ertönte, elektrische Leitungen summten. Und war das etwa Musik? Angestrengt lauschte ich. Nein. Nur das dumpfe Dröhnen von Maschinen.
    Als ich Kabel unter meinen Füßen spürte, fiel ich auf die Knie, tastete herum, bis ich sie fand, und kroch dann an den Leitungen entlang, bis ich gegen etwas Hartes prallte. Senkrechte Wände und Kanten. Eine Art Container, ungefähr doppelt so groß wie ich. Ich stand auf und tastete ihn ab. Dann drückte ich ein Ohr gegen das Metall, und neben dem Summen konnte ich jetzt Stimmen hören.
    Und noch etwas anderes.
    Ich wirbelte herum und starrte in die Richtung, aus der ich gekommen war. Wieder hörte ich dieses Geräusch. Ein leises Kratzen. Plötzlich flammte ganz in meiner Nähe ein Feuerzeug auf und riss ein Loch in die Dunkelheit.
    Die Flamme züngelte und flackerte, erfüllte das Zelt mit einem orangefarbenen Schimmer. Dann sah ich, wie sie das Ende einer Pfeife küsste. Rauch und Asche zischten, als die Pfeife angesogen wurde. Bevor das Feuerzeug wieder verlosch, versuchte ich die Zeit zu nutzen und in den Augen zu lesen, die mich musterten.
    Aber diese Augen waren undurchdringlich.
    »Willkommen zurück, Mister Banyan«, sagte Frost und kaute auf der Pfeife herum, als wäre sie sein

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